© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  23/10 04. Juni 2010

Gottesreich
Politische Zeichenlehre XCX: Regenbogen
Karlheinz Weissmann

Der Begriff Regenbogennation für die multirassische, multikulturelle Bevölkerung Südafrikas ist ein Euphemismus und soll ohne Zweifel über deren Heterogenität und Konfliktanfälligkeit hinwegtäuschen. Immerhin klingt er fröhlich, und fröhlich wirkt auch die Flagge Südafrikas, die nach dem Ende der Apartheid eingeführt wurde: aufgelegt auf ein waagerecht rot-weiß-blau gestreiftes Tuch ein nach links gestürztes Y in Grün, dessen Fuß die weiße Fläche nicht vollständig ausfüllt und in dessen Keil zum Mast hin ein schwarzes, golden gerändertes Dreieck liegt. Es handelt sich um eine Synopse der bisherigen Flaggen Südafrikas, wobei Rot, Weiß und Blau für die niederländische wie die britische Tradition stehen (auf das burische Orange hat man bewußt verzichtet), während Grün, Gelb und Schwarz aus der Parteiflagge des ANC übernommen wurden.

Die südafrikanische ist die einzige Nationalflagge der Welt, die alle sechs Hauptfarben enthält, insofern ist eine Assoziation mit dem Regenbogen möglich, wenngleich es kein offizielles Dokument gibt, das eine entsprechende Deutung liefert. Wahrscheinlich hängt das damit zusammen, daß der Regenbogen als Symbol schon zu stark festgelegt wirkt. Die ursprünglichen Vorstellungen gehen alle auf die biblische Überlieferung zurück, da der Regenbogen in 1. Mose 9 den Bund zwischen Gott und Noah versinnbildlicht. Auf diesem Hintergrund erklärt sich die relative Häufigkeit des Regenbogens in der christlichen Ikonographie, die etwa im Mittelalter Christus als Weltenrichter auf einem Regenbogen thronend zeigte, der den Neuen Bund repräsentieren sollte. Demselben Gedanken verpflichtet war der Entwurf der berühmten Regenbogenfahne, die während der Bauernkriege von dem Haufen Thomas Müntzers geführt wurde, der glaubte, daß der Anbruch des Gottesreichs unmittelbar bevorstehe.

Eine deutliche Verschiebung des biblischen Sinngehalts hat sich im Zuge der Säkularisierung ergeben. Immerhin wird man die unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg entstandenen Pläne für eine Regenbogenfahne der Vereinten Nationen und dann die Popularität des Regenbogensymbols in der Ökologiebewegung der siebziger und achtziger Jahre insbesondere forciert durch Greenpeace noch als einen späten Nachklang der ursprünglichen Bedeutung verstehen können. Auf die griff eindeutiger die im Zuge der Proteste gegen den zweiten Irak-Krieg 2002/2003 vor allem von katholischen Gruppen getragene Kampagne Pace da tutti i balconi! (Frieden von jedem Balkon!) zurück, die eine Regenbogenfahne mit dem Wort Pace (Frieden) verwendete. Nach einigen Angaben sollen damals zwischen fünfzehn und zwanzig Prozent der italienischen Haushalte mit der Regenbogenfahne ihre Ablehnung des Kriegs zum Ausdruck gebracht haben.

Allerdings gab es scharfe Proteste von konservativer Seite gegen diese Art der Demonstration. Die Kritiker wiesen darauf hin, daß es sich bei der Regenbogenfahne um ein Symbol der Homosexuellenbewegung handele. Tatsächlich hat 1978 ein amerikanischer Schwulenaktivist, Gilbert Parker, in San Francisco eine Regenbogenfahne als Ausdruck des gay pride verwendet, und seitdem konnte sich das Symbol gegen alle anderen in der Bewegung verbreiteten Zeichen durchsetzen, weil es gemeinhin als Ausdruck eines bunten oder eher schrillen Lebensstils verstanden wird.

Diese Inanspruchnahme macht jeden Versuch einer Rückkehr zum ursprünglichen Verständnis des Regenbogensymbols außerordentlich schwierig, und der Hinweis der Pace-Leute, daß die italienischen Pazifisten die erste Regenbogenfahne bereits bei einem Friedensmarsch am 24. September 1961 mitgeführt haben, zeigt nur geringe Wirkung. Sie ging auf einen Entwurf von Aldo Capitini zurück, der sich wiederum an Vorbildern orientierte, die er bei der berühmten Demonstration von Aldermaston in England 1959 gesehen hatte.

Demzufolge scheint eine Kontinuität von diesem frühen Exemplar über eine Verwendung des pazifistischen Regenbogens (mit einem weißen Streifen am oberen Ende, der bei den späteren fehlt) in den neunziger Jahren bis zur Pace-Fahne zu bestehen. Aber deren Präsenz schwindet in dem Maß, in dem die Friedensbewegung an öffentlichem Einfluß verliert, während die Schwulenbewegung nach wie vor präsent ist und das auch mit dem Regenbogen zum Ausdruck bringt, der heute als Erkennungszeichen an allen möglichen Szene-Einrichtungen angebracht wird.

Die JF-Serie Politische Zeichenlehre des Historikers Karlheinz Weißmann wird in zwei Wochen fortgesetzt.

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