© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  23/10 04. Juni 2010

Afrika für Fortgeschrittene
Extreme im wilden Herz
Bernhard Knapstein

Der schwarze Kontinent ist voller Wunder, man muß sich nur aufmachen, um sie zu suchen. Ralf Küttelweschs Afrika. Auf dem Weg nach Tinga Tinga erzählt von dieser Suche nach den letzten Abenteuern dieser Welt.

Küttelwesch hat sich selbst auf die Suche nach den Wundern von Afrika gemacht. Mehrfach. Eigentlich ist er schon sein ganzes Leben auf der Suche nach diesen Wundern und nach den Extremen. Solche Extreme sind nicht jene der Moderne, nicht der Bungee-Sprung und auch nicht der Ironman-Triathlon. Küttelweschs Extreme sind ursprünglicher, archaischer. Der Autor läuft mit dem Affen auf dem Rücken und begleitet von Massai-Kriegern durch die Wüste, oder er genießt den raschen afrikanischen Sonnenuntergang mit einem gepflegten Bier am Sambesi-Ufer, während Krokodile in unmittelbarer Nähe nach Nahrhaftem suchen und gewaltige Flußpferde ihr Revier verteidigen, er erlebt den Löwen, der des Nachts sein Zelt umschleicht.

Seine Extreme sind Begegnungen mit Mensch und Tier jener Art, die normale Afrika-Touristen in wohlbehüteten Camps nie erleben werden. Es sind die Niederungen und Gefahren der Straße, der heruntergekommenen Spelunken und der unzivilisierten Weite Schwarzafrikas, die ihn anlocken und faszinieren. Es ist die stundenlange Fahrt in einem Matatu, einem überfüllten Großraumtaxi voller Schweißgerüche, oder der im Urwald festgefahrene Jeep. Und so ist es keineswegs absurd, daß die Reise jenseits des Normalen das Erleben normaler afrikanischer Verhältnisse erst ermöglicht. Afrika entdeckt man auf dem Fußweg nach dem fernen Tinga Tinga, ein Kaff, das nur wenige Reisende aufzusuchen wünschen, vor allem ohne genügend Trinkwasser. Der Todesmarsch nach Tinga Tinga hat sich in den vergangenen Jahren zu einer Art Mythos entwickelt und viele haben sich gleichfalls auf den Weg dorthin gemacht, um sich am Abenteuer zu berauschen.

Mit seiner Retrospektive in eigene afrikanische Reiseerlebnisse liegt der Autor, Burschenschafter und Wandervogel, insoweit auch ganz auf Linie seiner Anthologien der Reihe Der konservative Rausch (JF 36/05). Voller Witz und Selbstironie beschreibt er in seinem lesenswerten Buch das selbst oder von bündischen Kameraden Erlebte. Es kommt auch nicht von ungefähr, daß der Autor in seinem Buch für die Stefan-von-Kotze-Gesellschaft wirbt. Stefan von Kotzes Abenteuer aus kolonialen Zeiten liegen gleichfalls fern des Normalen, sie liegen eher im Bereich des Surrealen.

Ralf Küttelwesch: Afrika. Auf dem Weg nach Tinga Tinga. Verlag factum coloniae, Köln 2009, broschiert, 119 Seiten, Abbildungen, 9,90 Euro

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