© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  23/10 04. Juni 2010

Google Health: Das neueste US-Geschenk an die Menschheit suggeriert Fortschritt
Der Fluch des digitalen Segens
Patrick Schmidt

Wenn Vergil Laokoon in seiner Aeneis sagen läßt, daß er die Geschenke der Danaer fürchtet, so steht dies sinnbildlich für die Skepsis, die wir unerwarteten Geschenken gegenüber walten lassen sollten. Google beglückt uns seit einigen Jahren mit immer neuen derartigen Geschenken. Angefangen beim kostenfreien E-Postkasten, Speicherplatz für Dokumente, Bilder oder sonstige Daten bis hin zu Übersetzungen oder Satellitenbildern, die früher nur den Sicherheitsdiensten oder dem Militär zugänglich waren.

Die neueste Aufmerksamkeit der beiden ehemaligen Stanford-Studenten Larry Page und Sergey Brin ist eine digitale Krankenakte mit dem Namen Google Health (www.google.com/health). So können Patienten ihre Gesundheitsdaten an einem zentralen Ort speichern und bei Bedarf an behandelnde Ärzte oder Apotheker weitergeben.

Diese auf den ersten Blick praktische Einrichtung könnte den redundanten Labor- oder Röntgenuntersuchungen den Garaus machen, aber auch für den Patienten selbst eine Bereicherung sein. Denn die dort gespeicherten Daten können dem Patienten selber einen Überblick über seine Blut- oder Leberwerte liefern oder einfach nur als Erinnerung an eine überfällige Untersuchung nützlich sein. Dies alles scheint auf den ersten Blick nicht nur für Hypochonder eine wichtige Dienstleistung zu sein, sondern auch für den vielreisenden Global Player, der heute in Berlin, morgen in Shanghai und übermorgen vielleicht in New York nach dem Rechten sehen muß. Denn die bei bundesdeutschen Krankenkassen übliche Chipkarte kann man nur in der Heimat einsetzen.

Was also tun, wenn bei der Kreuzfahrt ein plötzliches Völlegefühl auftritt? Bevor man zu Bullrichsalz greift, könnte ja ein Blick auf die bei Google Health gesicherten Daten für den Schiffsarzt ganz hilfreich sein? Oder etwa nicht?

Wie auch bei allen anderen Google-Geschenken stellt sich natürlich sehr schnell die Frage, ob dies ein Segen oder ein Fluch ist. Neu ist dieser Service nicht. So gibt es seit Oktober 2007 einen ähnlichen Dienst von Microsoft, der sich health vault nennt. Auch auf der diesjährigen CeBIT (JF 10/10) waren einige Firmen verzeichnet, deren Schwerpunkt das TeleHealth ist, also eine Art Internet-Doktor.

So springt Google Health auch nur auf den fahrenden Zug des stetig wachsenden Healthcare-Marktes auf. Die noch in der Testphase befindliche elektronische Patientenakte wird derzeit an der Cleveland-Klinik von rund 1.370 Freiwilligen geprüft. Einer der am Projekt beteiligten Ärzte zeigte sich enthusiastisch. John D. Halamka, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit an der Harvard Medical School und am Beth Israel Deaconess Medical Center in Boston, sieht in der Vernetzung von Krankendaten und medizinischen Dienstleistungen einen riesigen Schritt in Richtung verbraucherorientiertes Gesundheitsmanagement.

Das System, welches vorerst noch nicht im Internet zugänglich ist, ruft Bedenken nicht nur von Datenschützern hervor. Auch wenn Google-Chef Eric Schmidt betont, daß die gespeicherten Daten durch Paßwörter geschützt und nur mit Einwilligung des Patienten von Dritten eingesehen werden dürfen, bleiben natürlich Zweifel. So ist zu befürchten, daß Arbeitgeber oder Versicherungen Mittel und Wege finden werden, an die entsprechenden Gesundheitsdaten zu gelangen. Wenn schon Bundesbehörden sich nicht scheuen, auf illegalem Wege an die Daten von vermeintlichen Steuersündern zu gelangen, wie hoch ist dann die Bereitschaft börsennotierter Unternehmen, ihr Risiko möglichst genau zu kalkulieren?

Auch wenn Google das Portal nicht für personenbezogene Werbung nutzen will, so ist dies auch nur eine Frage der Zeit, wann sich das ändern wird. Das staatlich organisierte Gesundheitswesen unterliegt noch genauen Datenschutzbestimmungen. Ein Suchmaschinenbetreiber nicht. Auch den von jedem Arzt zu schwörenden Hippokratischen Eid kann man einem Megakonzern kaum abverlangen. Gar nicht auszudenken, wer im Falle von Regreßansprüchen haftbar zu machen ist. Was passiert, wenn die Datenbank eine Fehldiagnose liefert? Welche Festplatte kann man dann haftbar machen?

Neben der Frage, wie sicher persönliche Daten im Internet sind, drängt sich aber auch ein anderer Gedanke auf: Leben wir eigentlich noch auf der Erde oder bereits schon auf der Google?

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