© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  24/10 11. Juni 2010

„Allen unschuldigen Opfern“
Postelberg: Gedenktafel eingeweiht / Hingerichtet, weil sie Deutsche waren
Lion Edler

Die jahrzehntelang geschürten Ressentiments gegen Deutsche scheinen sich zu verflüchtigen – zumindest bei unseren tschechischen Nachbarn: Im jüngsten Parlamentswahlkampf fehlten antideutsche Spitzen, und im Fernsehsender ČT wurde unter dem Titel „Töten auf tschechische Art“ (JF 21/10) erstmals eine Dokumentation über Massenmorde von Tschechen an deutschen Zivilisten gezeigt. Und vorige Woche wurde im nordböhmischen Postelberg (Postoloprty) eine Gedenktafel für die Opfer eines solchen 1945 stattgefundenen Massakers (JF 23/10) eingeweiht – allerdings nach Jahren zäher Verhandlungen mit dem Stadtrat.

Den Angehörigen der Opfer war bei der Gedenkveranstaltung auf dem Po-stelberger Friedhof dennoch anzumerken, daß ihnen eine Last vom Herzen fiel. Es ist ein erster Schritt, wenn auch noch kein wirklich angemessenes Gedenken, so der Tenor vieler Teilnehmer.

Darunter war Uta Reiff, Vorsitzende des Heimatkreises Saaz. Ihr Vater wurde vor 65 Jahren in Postelberg ermordet, ihr 16jähriger Bruder überlebte nur knapp. Bei aller Genugtuung über das Gedenken kritisierte Reiff in ihrer Ansprache, daß die Täter zwar verhört, aber nie bestraft wurden. Möglich machten dies die Beneš-Dekrete, die „zu unserem Erstaunen heute noch gültig sind“, so Reiff.

Sie bedauerte auch, daß aus der Gedenkinschrift nicht erkennbar sei, daß es sich um ermordete Deutsche handle. „Allen unschuldigen Opfern der Postelberger Ereignisse von Mai und Juni 1945“, heißt es auf der Metalltafel von der Größe eines Schuhkartons. Ursprünglich wünschte der Heimatkreis Saaz anstatt einer Metalltafel ein Denkmal und war auch bereit, die Kosten zu übernehmen. Dies tat dann zwar die Stadt Postelberg, was den Heimatkreis jedoch um seinen Einfluß auf das Projekt brachte. Das Wort „unschuldig“ sei aber immerhin ein „gutes Zeichen“ und stelle „die Ehre der Ermordeten wieder her“, so Reiff vor der Einweihung.

Auch Alexander Ehm ist froh über die neue Erinnerungspolitik in Postelberg, doch der 47jährige hätte sich ebenso einen Hinweis auf die Nationalität gewünscht. „Ob die Opfer unschuldig waren oder nicht, spielt außerdem für die Bewertung der Taten keine Rolle. Wenn sie schuldig waren, muß man sie deswegen nicht ermorden“, sagte er der JUNGEN FREIHEIT.

Ehm, dessen Großmutter in Saaz mit Glück den tschechischen Racheakten entging, sieht als Geschichts- und Wirtschaftslehrer schulischen Nachholbedarf: Auch in Bayern, „wo ja angeblich alles noch in Ordnung ist“, seien Schüler oft verwundert, wenn sie mit Fakten über die Vertreibung konfrontiert würden. „Das Wissen der Schüler über den deutschen Osten – und ich meine damit nicht die ehemalige DDR – ist praktisch nicht vorhanden“, kritisierte Ehm.

Der ebenfalls aus Bayern angereiste Lothar Beer empfindet die Inschrift ähnlich. Manche hätten im Vorfeld gesagt, wenn man von deutschen Opfern geschrieben hätte, dann wäre die Tafel wieder zerstört worden, räumt er ein – für den 67jährigen jedoch kein Grund, auf den Hinweis zu verzichten. Man habe die Vertriebenen oft damit vertröstet, daß man in der DDR 40 Jahre lang „gar nichts“ habe machen können und man nun doch froh sein solle, daß jetzt immerhin ein öffentliches Gedenken möglich ist. „Aber wie lange wollen wir noch warten? Das ist jetzt 65 Jahre her. Und hier wird doch bereits ein Geschichtsbild zementiert!“ befürchtet Beer im Gespräch mit der JF.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurden in Postelberg etwa 800 Sudetendeutsche ermordet und in Massengräbern verscharrt. „Sie wurden hingerichtet, weil sie Deutsche waren“, stellte Uta Reiff klar. Im Umkreis von Po­stelberg geschahen schätzungsweise 2.000 weitere Morde. Da ist noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten, aber zumindest ein Anfang wurde gemacht.

Weitere Informationen über Postelberg: www.heimatkreis-saaz.de  und www.saaz.info

Foto: Kirchenvertreter vor Gedenktafel in Postelberg: Ein erster Schritt, dem weitere folgen sollten

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