© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  24/10 11. Juni 2010

Nicht ganz frei von linkem Opportunismus
Die Feministin Alice Schwarzer blickt auf ihre journalistische Karriere mit überraschenden Ansätzen einer Selbstkritik zurück
Ellen Kositza

Ob sie eigentlich auch einen Beruf habe, sei Alice Schwarzer, Galionsfigur des Feminismus, gelegentlich gefragt worden. Tatsächlich mag es ein Volksglaube sein, daß es hauptamtliche „Unruhestifter“ gebe, deren Metier darin bestünde, durch TV-Formate zu tingeln und angelegentlich „die Stimme zu erheben“. Schwarzer jedenfalls hat neben aller Unruhestifterei 1977 die Emma gegründet und ist bis heute Chefredakteurin, daneben hat sie, Jahrgang 1942, in den vergangenen vierzig Jahren Dutzende Bücher geschrieben und herausgegeben.

Das vorliegende schmale Bändchen ist keineswegs die „professionelle Biographie einer Ausnahmejournalistin“, als das es uns vorgestellt wird. Es beinhaltet drei Vorlesungen, die Schwarzer im Rahmen ihrer Theodor-Herzl-Dozentur für Poetik des Journalismus 2009 in Wien hielt.

Zudem ist hier erstmals in gebundener Form Schwarzers Rede zur Verleihung des Ludwig-Börne-Preises 2008 publiziert. Wie hier die angeblich „evidente Parallelität zwischen der Judenfrage und der Frauenfrage“ herausgearbeitet wird, ist besonders reizvoll. Ohne Abstriche zu machen, sieht sie Juden und Frauen gleichermaßen als „Parias“: So sei es zur Zeit Börnes gewesen, ebenso im Nationalsozialismus und eben auch heute, wo Juden und Frauen im Visier islamischer Fundamentalisten stünden. Noch heute reichten Frauen ihre Bücher unter Männernamen ein, um vom Literaturbetrieb angenommen zu werden.

Interessant liest sich auch Schwarzers Referat über ihren publizistischen Werdegang. Demnach konnte sie bei den Düsseldorfer Nachrichten, wo sie volontierte, „nicht alt werden“, weil sie 1968 ausgerechnet über Armin Mohler stolperte. In einer „eindeutig organisierten Flut“ von Leserbriefen sei ihr vorgeworfen worden, daß sie über Mohler spöttisch geschrieben habe. Bis heute sei die Intervention per Leserbrief ein Mittel, das die Rechte weit besser beherrsche als die Linke, die „bis heute nicht gelernt“ habe, gezielt Druck auf die Medien auszuüben.

Im Anschluß arbeitete Schwarzer in der Nachfolge von Günter Wallraff fürs Apo-Blatt Pardon. Nach dessen Vorbild  undercover zu arbeiten und „anschließend die Leute in die Pfanne“ zu hauen, habe ihr einmal richtig leid getan. Das war auf einem Treffen „harmloser Vertriebener“. Auftragsgemäß habe sie einen sarkastischen Bericht geschrieben – und erhielt einen enttäuschten Leserbrief von jemandem, mit dem sie dort Streuselkuchen gegessen habe. „Da habe ich mich geschämt. Auch ich war also nicht ganz frei von Opportunismus, von linkem Opportunismus.“

Alice Schwarzer: Journalistin aus Passion. Von der Volontärin zur Blattmacherin. Picus Verlag, Wien 2010, 131 Seiten, gebunden, 14,90 Euro

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