© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  24/10 11. Juni 2010

Meldungen

Raumbezogenes für die Migrationsgesellschaft

SEELZE. Unter deutschen Historikern „räumelt“ (Hans-Dietrich Schultz) es augenblicklich ganz gewaltig. Nach dem „linguistic“, dem „cultural“ und dem „iconographic“ ist nun der „spatial turn“ bei ihnen groß in Mode gekommen. Nachdem bereits der Kieler Historikertag 2004 dem Tribut zollte („Kommunikation und Raum“), steht der nahende Berliner Historikertag unter dem Motto „Über Grenzen“. Daß die Begeisterung für den Raum jedoch noch nicht den schulischen Alltag erfaßt hat, ergibt sich aus zwei „Frontberichten“ der Geschichtsdidaktiker Vadim Oswalt und Michael Sauer (Geschichte in Wissenschaft und Unterricht, 4/10). Sauers Befragung von 900 Schülern liefert das betrübliche Bild, daß es mit dem aus Kartenstudien gewonnenen „raumbezogenen Orientierungswissen“ nicht weit her sei – was wohl kein überraschendes Ergebnis ist, wurde doch das klassische Medium des Geschichtsunterrichts in den vergangenen dreißig Jahren ebenso als unzeitgemäß verdrängt wie die Vermittlung von Geschichtsdaten. „Die Kompetenz im Umgang mit Karten“ müsse man „relativ ungünstig“ beurteilen. Vadim Oswalt scheint es daher erforderlich, für ein „größeres Raumbewußtsein“ im Geschichtsunterricht zu sorgen. Nur so ließen sich auch  die untergründig wirksamen, sehr heterogenen mentalen „Raumbilder“, die in der Schule der „deutschen Migrationsgesellschaft“ im engen Zusammenhang mit „Identitätskonstruktionen“ stünden, in ihrer Künstlichkeit „hinterfragen“ und so in das multikulturell bedingte „historische Lernen“ eine irgendwie aufklärerisch gedachte Ordnung bringen.

 

Erste-Sätze

Der Kommerzienrat van der Straaten, Große Petristraße 4, war einer der vollgültigsten Finanziers der Hauptstadt, eine Tatsache, die dadurch ein wenig alteriert wurde, daß er mehr eines geschäftlichen als eines persönlichen Ansehens genoß.

Theodor Fontane: L’Adultera, Breslau, 1882

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen