© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  24/10 11. Juni 2010

Schatten der Erinnerung: Die Odyssee von 937 Juden an Bord des Luxusliners St. Louis
Sowohl von Kuba als auch von den USA abgewiesen
Michael Hofer

Schatten der Erinnerung“ von Inga Wolfram und Helge Trimpert behandelt das tragische Los von 937 deutschen Juden, die am 13. Mai 1939 mit dem Luxusliner „St. Louis“ von Hamburg aus in  See stachen, um über Kuba die USA zu erreichen. Die Hoffnung schlug in Verzweiflung um, als die kubanische Regierung nach der Ankunft in Havanna die Landeerlaubnis annullierte. Petitionen an die Vereinigten Staaten und an Kanada blieben unbeantwortet, den Passagieren drohte die Abschiebung zurück nach Deutschland. Durch die Vermittlung einer jüdischen Hilfsorganisation werden die Flüchtlinge schließlich in England, Frankreich, Belgien und Holland aufgenommen. Nach Ausbruch des Krieges gerieten die meisten von ihnen abermals in den deutschen Machtbereich, wurden deportiert und ermordet.

Einer von ihnen war der 49jährige, im mittelthüringischen Apolda geborene Schuhhändler Erich Dublon, der im September 1942 in Auschwitz umkam. Über die Tragödie der „St. Louis“ führte er  für seine in Deutschland hinterbliebenen Verwandten ein detailliertes Tagebuch, das schließlich nach Kalifornien gelangte und erst 57 Jahre nach der Niederschrift der Öffentlichkeit übergeben wurde. Wolfram und Trimpert inszenieren den Chronisten Erich Dublon (Christian Brückner) als eine melancholische Gestalt aus dem Geisterreich, die noch einmal die Stationen ihres Schicksals passiert.

Um diesen Effekt zu verstärken, haben die Autoren sowohl dessen Familie ausgeblendet, die mit an Bord war, als auch dem Originaltext eine erkleckliche Anzahl von philosophisch-poetischen Prosapassagen hinzugefügt, die sich zumindest im Nachdruck des Tagebuchs in der Zeitschrift Aufbau aus dem Jahre 2000 nicht finden. Das Ergebnis ist ein eher zweifelhaftes Stück Holocaust-Mystik, das nach gängigem Muster aufbereitet wurde.

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