© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  25/10 18. Juni 2010

Christian Lindner ist noch nur der Generalsekretär der FDP ...
Der Mann nach Guido?
Ronald Gläser

Die Spatzen pfeifen es in Berlin von den Dächern: Guido Westerwelle, vor einem Jahr noch mit 96 Prozent zum Parteivorsitzenden gewählt, könnte durch einen „Königsmörder“ entmachtet werden. Generalsekretär Christian Lindner, ebenfalls aus NRW stammend, soll demnach neuer Chef der FDP werden.

Westerwelle müßte gehen, sobald ein Landesverband seinen Rücktritt fordert, mutmaßt bereits der Spiegel. An diesem Wochenende schon entscheiden die hessischen Liberalen auf ihrem Landesparteitag über einen solchen Antrag aus dem Kreisverband Limburg-Weilburg. Gelangt der Porsche-fahrende FDP-Generalsekretär jetzt auf der Überholspur an die Parteispitze?

Der 31jährige Bundestagsabgeordnete und Medienliebling ist eine facettenreiche Figur. Vor zehn Jahren gehörte er als Student der Politologie zur FDP-Truppe um Jürgen W. Möllemann, dem der grandiose Wiedereinzug in den nordrhein-westfälischen Landtag gelang. Ein echtes Schwergewicht wie Westerwelle ist er aber nicht. Dazu bräuchte er das Haudrauf-Gen seines Vorsitzenden. Seinen Reden fehlt die laute Stimme, auch die Polemik, die Angriffslust. Als Generalsekretär war er eigentlich  nur eine Notlösung, gefunden nach wochenlangem Hin und Her im Dezember 2009. Seine Antrittsrede auf dem Parteitag der Liberalen im April hatte nichts Mitreißendes und wurde nur von mäßigem Applaus begleitet. Von ihm kommen zu viele leise Töne, als „scheues Reh“ oder als „Bambi“ charakterisieren ihn sowohl seine politischen Wegbegleiter wie auch seine Gegner.

Sind die Zeitgeist-Medien deswegen so angetan von Lindner und versuchen ihn dem Publikum als neuen Star-Liberalen unterzujubeln? Abnutzungserscheinungen bei Westerwelle und die Frische des neuen Gesichts sind nur eine Seite der Medaille. Dazu kommt, daß Lindner das FDP-Profil weiter verwässern würde. Denn er will die Partei noch ein Stück noch mehr nach links rücken. Zwar spricht er sich allgemein für mehr Freiheit aus, ist sogar Mitglied der erzliberalen Friedrich-August-von-Hayek-Gesellschaft, aber wenn es konkret wird, fordert er plötzlich zum Beispiel den Rechtsanspruch auf staatliche Kindergartenplätze. Mehr noch: Er habe darauf gedrängt, es mit einer Ampelkoalition in NRW zu versuchen, und befürworte höhere Einkommensteuern, heißt es. Was würde Hayek wohl dazu sagen? So gesehen ist es kein Wunder, wenn er von Stern, Spiegel und Co. hofiert wird. Er profiliert sich auf Kosten Westerwelles und spielt den linksliberalen Sunnyboy.

Erfolgreicher würde die Partei durch einen Linksrutsch aber wohl kaum werden. In den Umfragen ist sie von 14,6 Prozent am Wahlabend 2009 auf nur noch fünf Prozent gestürzt – nicht weil die von ihr noch vor Jahresfrist geforderte Steuerreform falsch ist, sondern weil ihr der Mut fehlt, ihren Worten Taten folgen zu lassen. Ein zusätzlicher rotgrüner Farbkleckser auf den blaugelben Krawatten würde den Niedergang aber wohl eher noch beschleunigen als aufhalten.

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