© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  25/10 18. Juni 2010

Frisch gepresst

Kriegsbeute. Als die sowjetischen Truppen 1945 noch vor den Toren Berlins kämpften, vollzog sich im bereits eroberten Ostdeutschland der Beginn „einer generalstabsmäßig vorbereiteten Kriegsbeuteoperation, die alle bisherigen Raubzüge der Geschichte in den Schatten stellte“. Der Historiker Bogdan Musial untersucht in seinem jüngsten Werk den Aufstieg der Sowjet­union zur Industriemacht, wobei er die gewaltigen „Reparationsgüter“, die Stalin nach dem Sieg aus Mittel- und Ostdeutschland demontieren ließ, in eine Reihe mit den Lieferungen an Industriegütern aus der Zeit des Hitler-Stalin-Pakts stellt. So lobenswert die Beschäftigung mit diesem wenig beleuchteten Thema auch ist, erscheint Musials Schlußfolgerung, daß dies der Sowjetunion „den Weg zur Supermacht nach 1945 ebnete“, doch etwas vermessen. So berücksichtigt er nicht ausreichend, daß viele erbeutete Maschinen und Industrieanlagen in Stalins Reich durch Schlendrian und Unkenntnis kaum Verwendung fanden, sondern oftmals schlichtweg verrotteten. Der höher zu ermessende Technologietransfer durch die „Beute“ an Wissenschaftlern und Patenten, die zum Beispiel in der Luft- und Raumfahrt den Aufstieg der Sowjetunion tatsächlich beförderten, kommt in Musials Darstellung wiederum zu kurz (Stalins Beutezug. Die Plünderung Deutschlands und der Aufstieg der Sowjetunion zur Weltmacht. Propyläen Verlag, Berlin 2010, gebunden, 507 Seiten, 26,95 Euro).

 

Geldmengen. Der Österreicher Gregor Hochreiter nähert sich der aktuellen Finanz- und Währungskrise aus der Perspektive der Wiener Schule der Nationalökonomie, die in den formalisierten Wirtschaftswissenschaften der Gegenwart trotz aller gegenwärtiger Konfusion im System der Luftbuchungen immer noch gern als „reichlich überholt“ abgetan wird. Gestützt auf die sogenannte staatliche Theorie des Geldes ihrer Vertreter Ludwig van Mises und Friedrich August von Hayek, dringt er zum Ursachenkern aller Spekulationsblasen vor: der ungedeckten Ausweitung der Geldmenge. Von der Aufweichung der römischen Silbermünze unter Kaiser Aurelian über die Preisgabe der Golddeckung im Ersten Weltkrieg bis hin zum Aufkauf südeuropäischer Schuldneranleihen durch die Europäische Zentralbank – Hochreiter macht plausibel, daß dahinter eine geldpolitische Aufblähung (Inflation) steht, die unweigerlich in den „Wohlfühl-Totalitarismus des Versorgungsstaates“ einmündet. Dabei schreibt er erfreulich verständlich und bietet dem Leser en passant eine Einführung in die vom Neokeynesianismus unserer Tage vergessene Theorie-Alternativen (Krankes Geld, kranke Welt. Analyse und Therapie der globalen Depression. Mit einem Vorwort von Roland Baader, Resch Verlag, Gräfelfing 2010, broschiert, 264 Seiten, 19,90 Euro).

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