© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  26/10 25. Juni 2010

Betrug am Wähler
Rot-Grün in NRW: Roßtäuscherspiele mit der Linkspartei
Rolf Dressler

In Deutschland ist es wichtiger, Verständnis zu haben als Verstand“, das und vieles Blitzgescheite mehr schrieb augenzwinkernd der große Publizist Johannes Gross dem eigenen Volk, den Regierenden und den Regierten, ins Stammbuch.

Ein Jahrhundert zuvor schon hatte die Dichterin Marie von Ebner-Eschenbach einen durchaus sinnverwandten Gedanken zu Papier gebracht: „Der Gescheitere gibt nach – ein unsterbliches Wort. Es begründet die Weltherrschaft der Dummheit.“

Beide Geistesgrößen konnten naturgemäß nicht einmal erahnen, mit welchen Zumutungen die in Deutschland herrschende Politik des Jahres 2010 aufwarten würde. Zwar ist unverfroren dreister Schwindel natürlich nicht erst eine Erfindung unserer Tage. Gleichwohl aber reihen sich auch im Weltmaßstab vergleichsweise kleine Lichtergestalten wie beispielsweise Nordrhein-Westfalens SPD-Anführerin Hannelore Kraft und ihr Chefsouffleur Sigmar Gabriel unrühmlich in die Sammlung derer ein, die selbst ein krasser Wortbruch offenbar nicht anficht.

 Verbohrte Alt-Stalinisten und rundgeschönte Jung-Kommunisten pfui, keinesfalls regierungsfähig – das war gestern. Jetzt muß zunächst die Regierungsmacht am Rhein her, um jeden Preis. Warum also nicht, wenn‘s doch nun mal anders nicht geht, mit freundlicher Unterstützung seitens der SED-Nachfolgetruppe, flüstert der Sigmar seiner Statthalterin Hannelore zu, und wieder nimmt ein Frontalbetrug am Wähler seinen Lauf.

Nur, wo im Bürgervolk regt sich eigentlich Widerstand dagegen, daß die deutsche Sozialdemokratie den Ultralinken skrupelfrei den dunkelroten Teppich ausrollt? Geschichtsvergessen spielen die SPD-Oberen ganz offen mit der Vorstellung, daß der Politverein der Salondemagogen Oskar Lafontaine und Gregor Gysi demnächst sogar auch auf Bundesebene regierungstauglich werden könnte – sobald sich Die Linke ideologisch einer letzten innerparteilichen Flur- und Personalbereinigung unterzogen habe.

Steter Tropfen höhlt den Stein. Auf dieses Roßtäuscherspielchen verstehen sich beide, die heutige Gabriel-Wowereit-Nahles-SPD und die bestens geschulten Kaderkommunisten ohnehin, die sich gern verschleiernd als geläuterte Sozialisten ausgeben und an jeder Ecke beteuern, daß sie doch längst „in der Demokratie angekommen“ seien.

Noch vermeiden die beiden Gesinnungsverwandten zwar den Anschein einer historischen Verbrüderung. Aber die Blößen und die vielen offenen Flanken, die ihnen die amtierende Koalition von CDU/CSU und FDP wie auf einem Präsentierteller bietet, laden SPD und Linke  geradezu ein.

Vor allem das Gejammer um die angebliche „soziale Schieflage der Gesellschaft“ haben viele Unionspolitiker schon so verinnerlicht, daß man sie kaum mehr von den Lautsprechern der Oppositionskonkurrenz zu unterscheiden vermag. Das ist Wasser auf die Mühlen der Umverteilungsfetischisten – und aller sozialbeseelten Gutmenschen. Und Gutmenschen verlegen sich mit Begeisterung darauf, anderen nachdrücklich zu bedeuten, was sie den jeweils anderen Gutes tun sollen – mit dem Geld der wiederum anderen.

Fernab aller hehren Sonntagsbekundungen zur wirklich freien (und sozialen!) Marktwirtschaft kopieren viele zeitgeistbeflissene Christdemokraten nahtlos die Linken und Ultralinken, verformen Steuererhöhungen kurzerhand zu „Solidaritätsabgaben“, plappern genauso wie jene von der allfälligen, angeblich überbordenden „sozialen Ungerechtigkeit“ hierzulande (wobei übrigens niemand wirklich zu sagen weiß, was unter „sozialer Gerechtigkeit“ eigentlich anderes zu verstehen ist als Gerechtigkeit). Das läßt Sozialindustrie, Wohltätigkeitsverbände, Opferanwälte und eben Linke und Ultralinke frohlocken. Denn sie wollen die Lufthoheit über das, was nach Ideologenlesart als „sozial“ definiert ist und von der sogenannten Allgemeinheit, sprich: von den Steuerzahlern, gefälligst finanziert werden muß. Auf hochdeutsch: Man zieht den jeweils anderen fortwährend jede Menge Geld aus den Taschen, um es der eigenen Klientel zuzuschustern.

Über alledem haben die ehemals Konservativen in Deutschland, erst unmerklich, dann bestürzend offenkundig, die Deutungshoheit über ihre ureigenen Wertequellen aus der Hand gegeben. Ganz anders die politische Linke und Ultralinke. Parolenartig drückt sie den Leuten ihre ideologischen Glaubenssätze in die Köpfe – vom Atomausstieg über die Kernlüge vom angeblichen „sozialen Kahlschlag“ bis hin zu dem gänzlich unbezahlbaren Umverteilungsirrwitz.

Und nun könnte der Union nach Roland Koch und Jürgen Rüttgers in Kürze auch noch Christian Wulff als maßgeblicher aktiver Politikgestalter abhanden kommen. Es sei denn, der geschickte Nominierungsschachzug von SPD und Grünen würde denkwürdig mit der Wahl des parteilosen Kandidaten Joachim Gauck gekrönt. Dann wäre in der deutschlandgeschichtlichen Rückschau von besonderer Delikatesse, was  Johannes Gross im Blick auf die Präsidentenwahl vom Mai 1994 im Magazin der Frankfurter Allgemeinen anmerkte: „Joachim Gauck, den ich unverdrossen zum Bundespräsidenten vorschlage, hätte zu allem den Vorzug, daß einige Leute bei ihm nicht einmal zum Antrittsbesuch erscheinen könnten.“

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen