© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  26/10 25. Juni 2010

„Kampfansage an demokratische Parteien“
Nordrhein-Westfalen: Die Entscheidung von SPD und Grünen, in Düsseldorf eine Minderheitsregierung zu bilden, stößt auf den erbitterten Widerstand der CDU
Ansgar Lange

Ausgerechnet am 17. Juni begeht Hannelore Kraft einen Verrat an den Idealen der Sozialdemokratie. Die Bindung an die Linkspartei ist eine Kampfansage an die demokratischen Parteien. Hannelore Kraft hat die ausgestreckte Hand der demokratischen Parteien ausgeschlagen, um der Linkspartei nachzulaufen“: Mit diesen Worten kritisierte der Generalsekretär der NRW-CDU, Andreas Krautscheid, die Ankündigung der SPD, mit den Grünen eine Minderheitsregierung zu bilden. Damit mache sich die SPD Krautscheid zufolge „zum Bittsteller einer verfassungsfeindlichen Partei“. SPD-Chefin Kraft werde keine Minderheitsregierung, sondern eine rot-rot-grüne Mehrheit führen. Denn die Linkspartei habe ihre Unterstützung längst zugesagt. Deutschlands größtes Bundesland wird also rot, wenn „Kraftilanti“ nicht noch einige eigenwillige Volten schlagen oder neue Instruktionen aus Berlin erhalten sollte.

SPD und Grüne, die im Landtag über 90 Abgeordnete und damit über eine Stimme weniger als die absolute Mehrheit verfügen, wollen Mitte Juli die SPD-Landesvorsitzende zur Ministerpräsidentin wählen – spätestens im vierten Wahlgang, wenn nur noch die einfache Mehrheit nötig ist. Die Bundesvorsitzende der Linkspartei, Gesine Lötzsch, kündigte Gehorsam bereits an, die drei Parteien hätten in vielen sozialen, ökologischen und bildungspolitischen Fragen ähnliche Auffassungen. Die geschäftsführende Regierung von Jürgen Rüttgers ist damit am Ende.

Die Linkspartei signalisiert ihre Zustimmung

Krafts Plan zur Machterlangung in Düsseldorf stellt die CDU vor größere Probleme. Schließlich ist Rüttgers einer der vier stellvertretenden Bundesvorsitzenden der CDU, und von NRW hängt die Bundesratsmehrheit der schwarz-gelben Koalition ab.

Die Linken, die Kraft allesamt nicht als regierungsfähig erschienen, signalisierten bereits, sie im ersten Wahlgang wählen zu wollen, wenn man sich zuvor über gemeinsame Ziele für die nächsten Jahre einigen könne. Vize-Landeschef Ralf Michalowsky nannte unter anderem die Abschaffung der Studiengebühren. Mit der Linken werde es zudem keinen Stellenabbau im öffentlichen Dienst geben. Auch wenn der stellvertretende SPD-Parteivorsitzende Olaf Scholz tönt, bei der Regierungsbildung an Rhein und Ruhr komme es nicht auf die Linkspartei an, muß sich die SPD bei der Abschaffung der Studiengebühren sowie der Verabschiedung des Haushalts zwangsläufig an die Ex-Kommunisten binden.

Gemeinsam mit Rot-Grün wollen die Linksextremisten auch einen Entschuldungsfond für die notleidenden Kommunen auflegen, keine weiteren Privatisierungen zulassen, die Mitbestimmung umfassend ausbauen und weiterem Sozialabbau den Riegel vorschieben. Wie die sozialistischen Zauberkünstler diese Vorhaben aber mit den Gesetzen der Mathematik in Einklang bringen wollen, bleibt ihr Geheimnis. Oder sollte der „Politikwechsel in NRW“ etwa nur in hemmungslosem Schuldenmachen bestehen?

Der ehemalige Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reinhard Höppner, der von 1994 bis 2002 selbst einer rot-roten Minderheitsregierung vorstand, jubilierte bereits: „Das Tabu muß gebrochen werden. Insofern hat Frau Kraft eine Aufgabe, die für die Bundesrepublik durchaus wichtig sein wird.“

Vielleicht liegt der tiefere Sinn in dem dunkelrot und grünlich schimmernden Polit-Machtspielchen in NRW auch eher darin, Hemmschwellen abzubauen. Wenn man rund 18 Millionen Einwohner im bevölkerungsreichsten Bundesland daran gewöhnt, daß die Linkspartei bei einer rot-grünen Regierung irgendwie mitregiert, warum sollte dies dann nicht auch bei 80 Millionen Deutschen möglich sein? Außerdem ist es sehr verlockend für Gabriel und Co., daß sie über den Bundesrat nun die Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke, Teile des Sparpakets oder die „Gesundheitsprämie“ stoppen könnten. Oder betreiben die Genossen in NRW den ganzen Aufwand etwa nur, um die Studiengebühren abzuschaffen?

Die Minderheitsregierung in Nord-rhein-Westfalen ist vielleicht nicht auf Sand, mit Sicherheit aber auf eine Lüge gebaut. Vielleicht gibt es am 13. oder 14. Juli ja auch noch eine Überraschung, denn einige im zukünftigen Regierungslager ticken eher schwarz-grün, und manche Sozialdemokraten haben einen wahren Horror vor Bündnissen mit der Linkspartei, auch wenn diese ja zunächst „nur“ das nötige Stimmvieh abgeben sollen.

Eventuell dürfen wir Hannelore Kraft demnächst wie die ehemalige Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein, Heide Simonis, bei der Fernsehsendung „Let’s Dance“ bewundern – falls es bei der Wahl doch ein paar rot-grüne Heckenschützen an Rhein und Ruhr geben sollte und Kraft die Mehrheit verfehlt.  

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