© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  26/10 25. Juni 2010

Ein neues Ermächtigungsgesetz
Euro-Zweckgesellschaft: Bundestag gibt fundamentale Haushaltsrechte ab / Europäische Fehlkonstruktion
Wolfgang Philipp

Die vom Europäischen Rat am 9. Mai als Teil des 750 Milliarden-Euro-Rettungsschirms erfundene „Zweckgesellschaft“ (JF 25/10) wurde am 7. Juni als Aktiengesellschaft mit dem Namen European Financial Stability Facility (EFSF) durch das Großherzogtum Luxemburg gegründet. Die Aktien sollen auf die 16 Euro-Staaten verteilt werden. Es wird sich also um ein Gemeinschaftsunternehmen von 16 EU-Ländern in privater Rechtsform handeln.

Das Grundkapital beträgt nur 31.000 Euro. Die Gesellschaft wird von 16 Verwaltungsräten geleitet. Ihr Zweck ist es, auf den Finanzmärkten nicht mehr kreditwürdigen Euro-Staaten – die gleichzeitig Aktionäre der EFSF sind – Darlehen von insgesamt bis zu 440 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen. Dieses Kreditvolumen ist höher als das der Deutschen Bank, bei der EFSF handelt es sich also um ein Großunternehmen, dessen künftige Rolle ganz unabsehbar ist. Voraussetzung der Kreditgewährung ist eine drohende Zahlungsunfähigkeit des Empfängerlandes.

Aktivvermögen enthält vor allem „Ramschanleihen“

Das Aktivvermögen der EFSF würde also im wesentlichen aus „Ramschanleihen“ bestehen, das heißt, es ist von hohen Verlustrisiken bedroht. Eine solche Zielsetzung paßt nicht zu einer Aktiengesellschaft, die – jedenfalls nach deutschem Aktienrecht – solche Darlehen an ihre Aktionäre gar nicht gewähren darf (Verbot der Kapitalrückzahlung). Zur Refinanzierung dieser Darlehensvergaben soll die EFSF am Markt bzw. beim Publikum durch Emission von Anleihen, Schuldscheinen usw. Geld einsammeln.

Die Einzelheiten des geplanten Aktiv- und Passivgeschäfts der EFSF sind in einem „Rahmenvertrag“ zwischen den 16 Staaten und der EFSF vom 7. Juni beschrieben. Zur Sicherung der Gläubiger verpflichten sich die 16 Euro-Staaten gegenüber der EFSF zu umfangreichen Bürgschaftsleistungen. Nach einem beigegebenen Schlüssel muß sich Deutschland bis zu 144 Milliarden Euro (rund 27 Prozent der Gesamtsumme) verbürgen. Soweit unter den 16 Sicherungsgebern solche sind, die Darlehen der EFSF beantragen, werden diese von der Verpflichtung zur Übernahme weiterer Bürgschaften entbunden (stepping-out guarantors).

Für früher übernommene Bürgschaften sollen sie weiter haften – aber sie werden im Zweifel nicht zahlen können. Fällt ein „Sicherungsgeber“ aus, erhöhen sich dadurch die Verpflichtungen der anderen – bis eventuell nur noch Deutschland als relativ gesündester und größter „Sicherungsgeber“ übrigbleibt. „Geschäftsgrundlage“ der ganzen Konstruktion ist aber doch gerade die Erkenntnis, daß auch Staaten zahlungsunfähig werden können. Die Sicherheit für Anleger, auf staatlichen Garantien aufzubauen, ist deshalb ein Widerspruch in sich – vor allem, wenn es sich um solche Größenordnungen handelt: Vorige Woche ist das Rating für griechische Staatsanleihen auf Schrottniveau herabgesetzt worden. Das kann auch anderen der 16 „Staats-Bürgen“ passieren.

Bei dieser Ausgangslage ist es unwahrscheinlich, daß die EFSF im Markt eine Vertrauen erweckende Bonitätsstufe erreicht, das heißt, das Projekt dürfte scheitern. Wer wird etwa als privater Sparer oder Verwalter fremden Fondsvermögens einem politisch geführten und von hohen Verlusten bedrohten Staatsunternehmen dieser Art sein Geld anvertrauen? Die Bürgschaften sind teilweise ganz wertlos, im übrigen aber spätestens im Falle ihrer Inanspruchnahme höchst zweifelhaft. Selbst Deutschland könnte die von ihm verbürgten Summen nicht oder nur mit großen Verzögerungen bezahlen – sie sind höher als seine gesamten Goldreserven.

Nach einer Bemerkung in dem „Rahmenvertrag“ soll die EFSF, die in größtem Umfange Bankgeschäfte durchführt, rechtlich aber keine „Bank“ sein. Folglich unterliegt sie auch keiner entsprechenden Aufsicht. Einer solchen Konstruktion kann man nur mißtrauen. Auch die Entscheidung über die Gewährung von Darlehen an einzelne Staaten wird von einem Interessenkonflikt überlagert: Wer als Verwaltungsrat der Darlehensgewährung zustimmt, übernimmt damit für sein Land in Milliardenhöhe Bürgschaften, ohne daß dafür Haushaltsmittel bereitstehen.

Kein sicherer Hafen für Investoren

Ein Skandal liegt darin, daß der Deutsche Bundestag in dem „Gesetz zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus“ (StabMechG/BGBl. I S. 627) die Verantwortung in dieser Sache bereits durch „Ermächtigung“ an das Bundesministerium der Finanzen delegiert hat. Die Bundesregierung soll sich vor Übernahme konkreter Gewährleistungen nur „bemühen“, Einvernehmen mit dem Haushaltsausschuß des Bundestags herzustellen.

Wie nach dem Ermächtigungsgesetz von 1933 sind fundamentale parlamentarische Rechte auf die Regierung übertragen worden. Noch weitergehend ist sogar das Haushaltsrecht Deutschlands selbst auf die EU und die schwachen EU-Länder übergegangen, die durch ihr Zahlungsverhalten die Möglichkeiten des Bundeshaushaltes definieren.

Für die Gläubiger besteht das Problem, daß nicht jeder „Sicherungsgeber“ als Gesamtschuldner mit den anderen haftet, sondern die Gläubiger sich gegebenenfalls wegen ihrer Forderung an mehrere Bürgen halten müßten. Auf der anderen Seite ist eine gesamtschuldnerische Haftung den Mitgliedsstaaten nicht zumutbar. Das alles ist so kompliziert und unsicher, daß dringend davon abzuraten ist, irgendwelche Gelder in die EFSF zu investieren.

Foto: Europäisches Faß ohne Boden: Was passiert, wenn ein „Sicherungsgeber“ ausfällt?

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