© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  26/10 25. Juni 2010

DVD: Romanze
Todtraurig
Werner Olles

Antoine, Patrice Lecontes „Mann der Friseuse“, ist ein Besessener der Liebe, ein melancholischer, von einer Aura der Einsamkeit umgebener Mann, der mit tiefem Ernst seiner Obsession nachgeht, der allen zwanghaft Handelnden zu eigen scheint. Der Vergleich mit François Truffauts geheimnisvoll-tragischem „Mann, der die Frauen liebte“ liegt da ganz nahe, und er wird im Verlauf des Films auch immer wieder herausgefordert, wenn die Bedeutung der prägenden Kindheitserfahrungen im Leben Antoines akzentuiert wird und sich da Parallelen zur charakterlichen Entwicklung geradezu aufdrängen. Doch damit endet auch schon alle Ähnlichkeit, denn die Leidenschaft von Truffauts Schürzenjäger gilt ja einem Kollektiv, er will alle Frauen haben, weiß an jeder die jeweiligen Eigenheiten zu schätzen, könnte aber an einzigen auf Dauer keinen Gefallen finden.

Patrice Lecontes („Die Verlobung des Monsieur Hire“) Antoine (Jean Rochefort) faßt hingegen bereits im Alter von gerade mal zwölf Jahren den Entschluß, eine Friseuse zu heiraten – für ihn der Inbegriff aller Sinnlichkeit. Jahre später verwirklicht er als erwachsener Mann diesen Kindheitstraum an der Seite einer Frau, mit der er eine enge, weltabgewandte Ehe führt. Gemeinsam mit der schönen und sinnlichen Mathilde (Anna Galiena) findet er die Erfüllung seines Glücks, und erlebt eine leidenschaftliche amour fou, tragisch und fröhlich zugleich, bis sie sich aus Angst, daß seine Liebe abebben könnte, das Leben nimmt.

„Le Mari de la Coffeuse“ (1990) ist ein erotisches Märchen von der großen Liebe, eine sinnlich-poetische Romanze, die von Anfang an von einem spielerisch-leichten, amüsierten und bisweilen ironischen Tonfall bestimmt wird, der in reizvollem Widerspruch zur schwermütigen Physiognomie des Helden steht. Antoine ist völlig fixiert auf seine Frau, die durch jede ihrer Bewegungen seine Aufmerksamkeit erregt. Allein ihr widmet er sich, denn er hat weder Freunde noch Familie. Diese kleine, mit ungewöhnlich leichter Hand und sanftem Humor inszenierte und in einfachen, intim komponierten Bildern scheinbar leichthin erzählte Geschichte dient Leconte – und das macht den besonderen Reiz des Films aus – zum subtilen Spiel mit filmischen Erzähl-Perspektiven, in Rückblenden und Off-Kommentaren den Reaktionen, Empfindungen, Worten seiner beiden Liebenden nachzuspüren.

Als leises, sehr intensives und sehr erotisches Bekenntnis zu Phantasie, Sinnlichkeit und absoluter Liebe evoziert „Der Mann der Friseuse“ eine Atmosphäre äußerster gewollter hermetischer Abgeschiedenheit von allem, was Zeitablauf signalisieren könnte. Die Intimität des Frisiersalons, die sanft-unwirklichen Bilder des provinziellen Interieurs, der physische und spirituelle Grenzbereich, in dem sich Antoine und Mathilde bewegen, all dies macht den Film zu einem Kunstwerk der Bilder, die so klar und schön sind, daß man sie wieder und wieder sehen möchte.

Es ist der todtraurige Film eines Moralisten, der gegen den sonst üblichen Bilder- und Gefühlsverbrauch kultische Bilder des Bewahrens, des Nichtvergessens, des Widerstands gegen Vergänglichkeit setzt.     

Foto: DVD: Der Mann der Friseuse. Alive/ATMedien, 2010, Laufzeit etwa 75 Minuten

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