© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  27/10 02. Juli 2010

Außer Spesen nichts gewesen
G20-Gipfel: Bei dem jüngsten Treffen der Staats- und Regierungschefs in Kanada wurde die Finanzmarktreform erneut vertagt
Michael Wiesberg

Wenn etwas von dem G8- und dem anschließenden G20-Gipfel in Huntsville und Toronto in Erinnerung bleiben wird, dann dürften es die Kosten von angeblich über einer Milliarde Dollar und der wohl kaum mehr zu überbietende Sicherheitsaufwand sein, der die gewalttätigen Ausschreitungen der angereisten linken Gewalttäter nicht verhindern konnte. Mittlerweile hat sich bei Ereignissen dieser Art, die außer schwammigen Erklärungen und in die Kameras lächelnde Politikergesichter kaum etwas Zählbares bringen, eingebürgert, den Veranstaltungsort in eine Art Hochsicherheitstrakt zu verwandeln, der eigenen Gesetzen unterliegt.

Eines der wenigen Ergebnisse des Doppelgipfels vom vergangenen Wochende ist die Absichtserklärung der Industriestaaten, ihre Haushaltsdefizite bis 2013 halbieren zu wollen. Zweifel, daß dieser Erklärung auch wirklich Taten folgen werden, erscheinen nur zu berechtigt. Angesichts dessen stellt sich einmal mehr die Frage nach dem Sinn oder Unsinn derartiger Treffen. Das dämmert wohl auch dem einen oder anderen Politiker, denn fast schon trotzig erklärte zum Beispiel Kanzlerin Angela Merkel vor ihrem Abflug nach Kanada, sie glaube, „daß diese Treffen wichtig“ seien. „Das persönliche Gespräch“ sei nicht durch „Telefonate und Videokonferenzen“ ersetzbar. Die Rechnung dieser „persönlichen Gespräche“ indes dürfen die Steuerzahler begleichen.

Bereits vor dem Gipfeltreffen zeichnete sich ab, daß insbesondere die von der deutschen Seite erhobenen Forderungen nach einer Bankenabgabe und nach einer Finanztransaktionssteuer nicht mehrheitsfähig sein werden. Genau so kam es denn auch, mußte Merkel doch bereits nach der ersten Arbeitssitzung der Staats- und Regierungschefs am vergangenen Freitag feststellen, daß die Bereitschaft, „hier etwas zu machen, nicht vorhanden war“. Da die verschiedenen Positionen nicht unter einen Hut zu bringen waren, beschlossen die G20 eine Verschiebung des Themas Finanzmarktreform auf den nächsten Gipfel im November in Südkorea. Selbst die Unterstützung von US-Präsident Barack Obama beim Thema Bankenabgabe reichte für substantielle Ergebnisse nicht aus, weil Schwellenländer wie Brasilien, China oder Indien, aber auch Kanada eine Besteuerung des Finanzsektors ablehnen oder hier schlicht keinen Handlungsbedarf sehen.

Streit um die Sparpolitik

Deutschland und Frankreich wollen deshalb die Einführung einer Steuer auf Bankgeschäfte (Tobin-/Finanztransaktionssteuer, JF 10/10) auf EU-Ebene prüfen. Dieses Vorgehen ist freilich nur dann sinnvoll, wenn sukzessive alle G20-Staaten mitzögen, womit nicht zu rechnen ist. Im Gegenteil: Von einer einseitig eingeführten Steuer auf Bankgeschäfte in der EU könnten Finanzplätze außerhalb der EU im Zuge von Regulierungsunterschieden nur profitieren. Deshalb dürfte eine derartige Initiative noch nicht einmal in der EU konsensfähig sein.

Neben den Themen Bankenabgabe und Finanztransaktionssteuer fokussierte sich die Aufmerksamkeit auf die zum Duell heraufgeredete Meinungsverschiedenheit zwischen Merkel und Obama, der den europäischen und speziell den deutschen Sparkurs derzeit für schädlich hält. Obama betonte bereits vor dem Gipfel, es dürfe nicht zugelassen werden, daß das Wirtschaftswachstum wieder ins Stocken gerate. Flankiert wurde Obama unter anderem von dem Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman, der herumpolterte, die europäischen Sparprogramme seien eine „sehr große Dummheit“. Merkel hielt dagegen, indem sie darauf verwies, Konjunkturpakete dürften nicht wieder „nur aufgeblähtes Wachstum generieren“. „Intelligentes“ Sparen und Wachstum müßten, so die Kanzlerin, keine Gegensätze sein.

Auf dem Gipfel verlief in dieser Frage dann alles schiedlich und friedlich, zumindest, wenn man Merkels Aussagen trauen darf, die davon sprach, daß die USA hier „keinen Gegensatz aufgebaut“ hätten. Die Diskussion sei „nicht kontrovers“ gewesen, sondern – wie immer, muß man wohl sagen – „von gegenseitigen, großem Verständnis geprägt“ gewesen. Tatsächlich gab sich Obama auf dem Gipfel versöhnlich, als er davon sprach, daß man sich auf „beide Aufgaben konzentrieren“ müsse, nämlich „auf Wachstum und auf finanzielle Konsolidierung“. Ob damit die grundsätzlichen Differenzen im Hinblick auf die richtige Wachstumsstrategie wirklich entschärft sind, wird sich schon bald weisen.

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