© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  27/10 02. Juli 2010

Dichands Machtvakuum
Österreich: Die einflußreiche „Kronen Zeitung“ verbleibt im Familienbesitz
Hans B. von Sothen

Mit dem Tod von Hans Dichand wird sich die politische Landschaft ändern. Die politische Klasse hatte auch in Österreich versucht, Themen wie EU-Kritik oder die verfehlte Migrationspolitik im öffentlichen Diskurs totzuschweigen. Doch im Gegensatz zur Bundesrepublik ist dies durch Dichands Kronen Zeitung weitgehend mißlungen. Das Blatt hat dadurch viel Kritik einstecken müssen.

Die Kampagnenfähigkeit der Krone war legendär. 1984 verhinderte Dichand den Bau eines Donaukraftwerks in Hainburg. 1986 setzte er sich erfolgreich für den Bundespräsidenten Kurt Waldheim ein, dessen Ächtung durch die USA er als ungerecht empfand. 2001 wurde ein Volksbegehren gegen das tschechische Atomkraftwerk Temelin initiiert, das der „heimatlose Rechte“ (Dichand über Dichand) zusammen mit Jörg Haider verhindern wollte. Hatte Dichand sich 1994 noch für den EU-Beitritt stark gemacht, so prangerte er später die EU als Eliteprojekt an, die EU-Verfassung als undemokratisch. Die Forderung nach einer Volksabstimmung über solche Projekte ließ die großkoalitionäre Regierung Gusenbauer/Molterer platzen.

„Wir sind kein Boulevardblatt, sondern eine Volkszeitung!“ – dafür wurde er verspottet und angegriffen. „Die Massen lesen die Kronen Zeitung, das heißt, sie hören sich selbst beim Denken zu, ohne zu ahnen, daß man ihnen nur gibt, was sie immer schon gedacht haben“, ätzte Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek. Richtig wäre es offenbar gewesen, den „Massen“ vorzuschreiben, was sie denken sollen. Politologen kritisierten bei den Krone-Beiträgen zu den Nationalratswahlen 2008 hätten deren Beiträge zu 25 Prozent aus Nachrichten, zu 19 Prozent aus Kommentaren, aber zu 56 Prozent aus Leserbriefen bestanden. Eine Volkszeitung war für Dichand eben nicht nur eine Zeitung für das Volk, sondern auch des Volkes.

Dichand ließ sich parteipolitisch nicht einordnen, er war unabhängig. Er paktierte mal mit den einen, ließ diese dann fallen, um anderen seine Gunst zu geben. Nicht er verbeugte sich vor der Politik, es war oft umgekehrt. Seine Themen vom Tier- und Umweltschutz bis zur Zuwanderungspolitik waren ihm persönlich wichtig, weil er wußte, daß es die einfachen Leute bewegte (JF 26/10).

Christoph Dichand hat andere Prioritäten als sein Vater

 Er sympathisierte nicht unbedingt mit der FPÖ, auch nicht mit Parteichef Heinz-Christian Strache. Aber die Krone produzierte einen politischen „Windschatten“, von dem die FPÖ bisher profitierte. Christoph Dichand hat andere Prioritäten als sein Vater. Er gilt als Unternehmer mit liberaler Grundierung. Mittelfristig könnte sich durchaus auch bei den Krone-Themen etwas ändern.

Hans Dichands letzter Wille ist offiziell noch nicht publik. Im linken Konkurrenzblatt Österreich kursierten erste Auszüge des Testaments. Bereits 2009 hatte er die Medienbeteiligungs-Holding gegründet, in der er als Alleineigentümer und Alleingeschäftsführer fungierte. Sie vereinigt alle Familienanteile an Krone und dem Mediaprint-Verlag, unabhängig davon, wer sie erben wird. Nach dem Gesellschaftervertrag kann sein Sohn Christoph jederzeit durch „Selbsteintritt“ die Funktion des Geschäftsführers übernehmen. Christoph sei dadurch nicht nur der „Sprecher“ der Familie, sondern de facto der uneingeschränkt Verfügungsberechtigte, obwohl er selbst wahrscheinlich nur einen Anteil von vermutlich 22 Prozent an den Krone-Anteilen (Schätzung: rund 200 Millionen Euro) besitzen wird. Dichand junior, obwohl in dieser Familien-Holding nur Minderheitseigentümer, hält damit alle Fäden in der Hand: Kein Mitglied der Familie kann künftig irgendetwas ohne seine Zustimmung verkaufen. Das heißt aber auch: Die Essener WAZ-Gruppe hätte keine Möglichkeit mehr, die Familie zu spalten.

Noch vor wenigen Tagen hieß es im Wirtschaftsblatt Format, die WAZ wolle „in den nächsten fünf Jahren“ ihre Anteile „nicht verkaufen“. Doch auch Christoph Dichand ließ inzwischen wissen, auch er werde nicht nur nicht verkaufen, sondern man werde der Essener Verlagsgruppe in nächster Zeit ein Angebot übermitteln. Der WAZ-Gruppe scheint inzwischen der Widerstand der Dichand-Familie kaum noch zu knacken; nun hört man, die SPD-nahe Verlagsgruppe wolle doch verkaufen. Den ganzen WAZ-Anteil (Wert zirka 200 Millionen Euro; Dichand wollte nur rund 180 Millionen Euro zahlen) kann sich die Familie ad hoc aber nicht leisten. Hier wird voraussichtlich eine Bank einspringen müssen. Welche, ist noch nicht klar.

Beim Requiem im Stephansdom hatte der älteste Dichand-Sohn Michael aus dem Paulusbrief an die Galater gelesen: „Wenn ihr einander beißt und verschlingt, dann gebt acht, daß ihr euch nicht gegenseitig umbringt.“ In den ersten beiden Reihen der Trauerfeier fanden sich neben der Familie auch Kanzler Werner Faymann, die Bundesminister und FPÖ-Chef Strache. Barbara Rosenkranz, für die Dichand seine letzte Kampagne im Präsidentschaftswahlkampf 2010 geführt hatte und die er auf Anraten seiner Berater schließlich nicht mehr unterstützt hatte, fand sich ganz hinten – im Volk. Das hätte Dichand wohl gefallen.

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