© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  27/10 02. Juli 2010

Die Südtiroler Band Frei.Wild: Gegen Nihilismus, blinden Radikalismus und Kriechertum
Immer hart am Wind
Nils Wegner

Daß die gegenwärtige Rock- und Popmusik nicht allzuviel mit Heimatgefühl und solcherlei Dingen am Hut hat, muß wohl nicht gesondert bemerkt werden. Viel lieber wird sich mit Themen beschäftigt, die – vermeintlich – größeren Anklang beim zumeist jugendlichen Zielpublikum finden. In erster Linie sind dies natürlich Liebe (oder was man heute dafür hält), doofe Eltern und ähnliche pubertären Fixpunkte.

Etwas Ähnliches ist in Deutschland nicht vorstellbar

Wo sich ausnahmsweise einmal ein Anklang von Patriotismus einstellt – wie beispielsweise im Lied „Wir sind wir“ des Wolfsheim-Sängers Peter Heppner, das vom Film „Das Wunder von Bern“ inspiriert war –, wird von medialer Seite schnell im Sinne der veröffentlichten Meinung dazwischengehauen. „Deutschtümelei“ ist das Wort, das einschlägige Gesinnungswächter in diesem Zusammenhang stets wie eine Monstranz vor sich hertragen.

Seit beinahe neun Jahren erklingt es aus südlicheren Gefilden jedoch ganz anders: Frisch, stolz, rockig und laut melden sich vier junge Südtiroler unter dem Namen „Frei.Wild“ zu Wort. Ein mehrschichtiges Kunstwerk ist allein schon der Bandname, der natürlich einerseits auf den Charakter der Musik abhebt, gleichzeitig aber auch das genuin deutsche Wesen der Gruppe und ihrer Texte betont – und leider auch mit dem Bezug auf „Freiwild sein“ die Situation der patriotischen deutschstämmigen Jugend in Südtirol treffend beschreibt.

Das Faszinierende an Frei.Wilds Musik ist jedoch nicht nur ihre inhaltliche Stoßrichtung im Sinne von „Südtirol, wir tragen Deine Fahne, denn Du bist das schönste Land der Welt, Südtirol, sind stolze Söhne von Dir, unser Heimatland, wir geben Dich nie mehr her“, sondern vor allem die Art und Weise, wie Sänger Philipp Burger und seine Mitstreiter sich inszenieren. Bodenständig, mit T-Shirt, Jeans und modischen Frisuren, vermitteln sie einen ganz anderen Eindruck, als ihn der unkundige Hörer ihrer Lieder womöglich gewinnen mag.

Heimatliebe ist nicht gleich Staatsverrat

Zu ihrer Südtiroler Heimat zu stehen und sich ihr verbunden zu fühlen, ist für sie so selbstverständlich wie das jugendliche Leben „Hart am Wind“, wie ihr aktuelles Album betitelt ist. Es scheint, als sei trotz der zutiefst problematischen Situation Südtirols das Leben und insbesondere der Geist der jungen Menschen dort freier als hierzulande – was traurig ist.

Wer hätte schon einmal von einer bundesdeutschen Musikgruppe gehört, die sich in ihren Werken dezidiert gegen Nihilismus und blinden Radikalismus („Gegen alles gegen nichts“), Kriechertum und Anbiederei („Der aufrechte Weg“) oder Vereinsamung und Mutlosigkeit („Irgendwer steht Dir zur Seite“) ausspricht und damit auch noch durchschlagenden Erfolg hat?

Selbstverständlich wurde schon sehr früh versucht, auch Frei.Wild zu „erledigen“. Die eigentlich vollkommen irrelevante Geschichte um ein geplantes Konzert der Gruppe auf einer freiheitlichen Parteiveranstaltung wurde 2008 massiv aufgebauscht und führte tatsächlich zum Absprung etlicher Hasenfüße aus Fanclub und Management. Selbst die damalige Plattenfirma stellte die Zusammenarbeit mit der Band ein.

Was beispielsweise 1998 bei der vielversprechenden deutschen Gruppe Weissglut noch blendend funktioniert hatte, nämlich eine unbequeme Musikgruppe mit einer medialen Schmutzflut davonzuspülen, griff jedoch bei Frei.Wild nicht. Statt dessen schweißte die Kampagne Musiker und treue Hörer noch enger zusammen und trug so letztlich nur zur Bekanntheit des jungen Projekts bei.

Den vier jungen Männern von Frei.Wild ist zu wünschen, daß es für sie derart positiv weitergehen möge! Die ursprünglich vor allem durch die Böhsen Onkelz inspirierte Band aus den Bergen Südtirols hat sich inzwischen emanzipiert und ihren eigenen heimattreuen und jugendnahen Stil gefunden. Da kann man dann auch gelegentliche Lieder über Besäufnisse und andere Spektakel verschmerzen. Wichtig ist vor allem ein klarer Blick auf die Realitäten und ein Bekenntnis zu sich selbst.

Sehr gut drückt das ein Satz der aktuellen Single-Auskopplung aus, den der eine oder andere sicherlich auch der Bundesrepublik gern ins Stammbuch schreiben möchte: „Das ist das Land der Vollidioten, die denken, Heimatliebe ist gleich Staatsverrat.“

Foto: Bandmitglieder von Frei.Wild: Kampagnen konnten die Musiker nicht einschüchtern

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