© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  27/10 02. Juli 2010

Frisch gepresst

Zäsuren. Heinrich Oberreuter ist eine der Größen der deutschen Politikwissenschaft. Seit 1980 ist er Lehrstuhlinhaber an der Universität Passau. Daneben leitet Oberreuter die renommierte Akademie für Politische Bildung in Tutzing und ist für Organisationen wie das Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung ehrenamtlich tätig. Sein jüngstes Werk versucht eine Gesamtschau der deutschen Verfassungs- und Politikgeschichte des 20. Jahrhunderts, von der Weimarer Republik bis 1989. Dabei geht es ihm nicht um eine detaillierte monographische Aufarbeitung der Ereignisse, die jeden Rahmen sprengen würde. Schwerpunkt soll vielmehr auf die Interpretation wichtiger historischer Zäsuren und Abschnitte gelegt werden. Oberreuter schildert fundiert, meist auf Grundlage aktueller Forschung, den Untergang der Weimarer Republik, die NS-Diktatur, den so unterschiedlichen Neubeginn nach dem Krieg in Ost und West und schließlich die Friedliche Revolution. Im Mittelpunkt seiner Betrachtungen steht dabei stets die Kraft der historischen Erinnerung. Wie prägen Staats- und Gesellschaftsmodelle die Bürger? Wie gehen neue Gesellschaftsformen mit den Erinnerungen und politischen Mentalitäten um? Oberreuter zeichnet den kulturhistorischen Diskurs um diese Fragen verständlich und gut lesbar nach (Wende zeiten. Zeitgeschichtze als Pregekraft politischer Kultur. Olzog Verlag, München 2010, gebunden, 384 Seiten, 29,90 Euro).

 

Blunck. Der Nachlaß des Juristen und Literaten Hans Friedrich Bluncks in der Kieler Landesbibliothek zählt zu den umfangreichstens Schriftsteller-Hinterlassenschaften in öffentlicher Hand. Aus diesem Fundus kann die deutsche Literatur- und Geistesgeschichte noch lange schöpfen. Es wirkt daher ein wenig rätselhaft, wenn ausgerechnet die „Gesellschaft zur Förderung des Werkes von Hans Friedrich Blunck e. V.“ nicht ausgiebig von diesen Schätzen Gebrauch macht. Allein mit den Korrespondenzen der 1930er und 1940er Jahre, die der erste Präsident der Reichsschrifttumskammer (1933–1935) mit der professionell geübten Akkuratesse des den „Posteingang“ bewältigenden Juristen abgeheftet und archiviert hat, ließen sich Jahrbücher noch und nöcher füllen. Stattdessen opfert das aktuelle Jahrbuch 2010 viel Platz für einen Teilabdruck aus Norbert Borrmanns Darstellung zur Architektur des Dritten Reiches (JF 3/10), bei der sich ein Bezug auf den vom alliierten Entnazifizierungsausschuß als „Mitläufer“ eingestuften Autor nicht eben aufdrängt. Teile aus der bislang unveröffentlichten Autobiographie des Dichters mußten daher leider an den Schluß des Bandes ausweichen und werden dort nur in sparsamster Ration verabfolgt (Ludwigsfelder Verlagshaus, Ludwigsfelde 2010, broschiert, 144 Seiten, Abbildungen, 15 Euro).

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