© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  28/10 09. Juli 2010

Alles halb so schlimm
Linksextremismus: Zwei Berliner Polizisten versuchen, den Bürgern die Angst vor der Eskalation der politischen Gewalt in der Hauptstadt zu nehmen
Lion Edler

Wenn trotz eines wichtigen Spiels der Fußball-Weltmeisterschaft im Rathaus von Berlin-Kreuzberg alle Plätze besetzt sind, dann muß es um ein wirklich ernstes Thema gehen. „Linke Gewalt – wo brennt es in Friedrichshain-Kreuzberg?“ fragte die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung bei ihrer Diskussions-

veranstaltung, für die sie mit dem Berliner Kriminaloberrat Stefan Redlich und Kriminalhauptkommissar Dirk Stoewhase zwei Referenten aus der Praxis eingeladen hatte. „Wir erleben eine Eskalation der linken Gewalt in dieser Stadt!“ sagt der Kreuzberger CDU-Vorsitzende Kurt Wansner unter dem Applaus des Publikums, das angesichts des wachsenden linksextremen Straßenterrors mit seiner Geduld offensichtlich am Ende ist.  

Stefan Redlich vom Landeskriminalamt sieht die Lösung nicht primär in einer personellen Verstärkung der Polizei, es bedürfe vor allem einer gesellschaftlichen Ächtung von Gewalt. Während es von 2005 bis 2008 deutlich mehr „politisch motivierte Kriminalität“ (PMK) von Rechten als von Linken gegeben habe,  dominierte 2009 in Berlin erstmals linke PMK. Bei Gewalttaten habe es allerdings seit 2005 mehr linke als rechte Delikte gegeben. Den Gegensatz erklärt er sich damit, daß unter der politisch motivierten Kriminalität auch sogenannte „Propagandadelikte“ erfaßt werden, was zu deutlich höheren Zahlen bei der rechten PMK führe, etwa durch Hakenkreuz-Schmierereien oder das Zeigen des „Deutschen Grußes“.

„Kapitalismus als Ursache allen Übels“

Dennoch sagte Redlich über die Vergleichbarkeit von Links- und Rechtsextremismus, er tue sich „schwer damit, alles in einen Topf zu werfen“. Denn Linksextremisten „bemühen“ sich im allgemeinen, niemanden zu töten. Dagegen seien bei rechter Gewalt „viele Tote in letzter Zeit zu beklagen“. Er sagt dies wenige Wochen, nachdem zwei Berliner Polizisten bei einer Demonstration durch einen von Linksextremisten gezündeten Sprengsatz verletzt wurden, für die Gewerkschaft der Polizei ein „Mordversuch“.

Auffallend findet Redlich, daß in Friedrichshain-Kreuzberg im Vergleich zu anderen Bezirken sowohl linke als auch rechte Gewalttaten überdurchschnittlich vorkommen. Er erklärt sich dies damit, daß es im Bezirk einige rechte Szene-Kleidungsgeschäfte gebe: „Es kommt zu Kontakten, und bei dem einen oder anderen dieser Kontakte kommt es eben auch zu Körperverletzungen.“ Der Antifaschismus sei „ein ganz großes verbindendes Element der Linken“, weshalb es bei Demonstrationen von Rechten immer wieder zu Gewalt komme.

Bei den politischen Motiven spielen laut Dirk Stoewhase denn auch „Polarisationsstraftaten“ eine große Rolle. Der „Kampf gegen Rechts“ sei hier von besonderer Bedeutung, häufig komme es in diesem Zusammenhang zu Straftaten. Dazu gehörten Angriffe auf vermeintliche „Rechte“ oder deren Fahrzeuge, oft genüge es bereits, wenn man „so“ aussehe. Weitere politische Motive reichten von der Sozial- über die Atom-, Ausländer- und Asylpolitik bis zum Antimilitarismus. „Alles zusammen geht gegen den Kapitalismus“, denn dieser werde als „die Ursache all dieser Übel“ angesehen, resümiert Stoewhase: „Nur Kapitalismus setzt die Grundlage für Faschismus“, skizziert Stoewhase das Weltbild der selbsternannten Antifaschisten.

Wandel in der Berichterstattung?

Der Kreuzberger Kreisvorsitzende der Jungen Union, Timur Husein, fragt nach Erkenntnissen über Verbindungen von der Linkspartei zum Linksextremismus. Die seien ihm „nicht bekannt“, gibt sich Redlich zurückhaltend. Husein läßt nicht locker, verweist auf die Anmeldung von Krawall-Demonstrationen  durch Evrim Baba, Linken-Mitglied im Berliner Abgeordnetenhaus, und den Lichtenberger Bezirksverordneten Kirill Jermak.

Doch Redlich weicht aus. Eine „gewisse Nähe zu dem Themenfeld“ sei „naturgemäß“ vorhanden, doch als Polizeivertreter interessiere ihn nur, ob Straftaten begangen würden. Und dafür, daß es bei derartigen Demonstrationen zu Ausschreitungen komme, „können Sie nicht unbedingt den Anmelder verantwortlich machen“.  Einem Zuhörer platzt der Kragen: „Der linke Mainstream steckt dahinter!“ Zustimmende Bemerkungen im Publikum, einige klopfen auf die Tische.

Redlich antwortet darauf, es gebe zuweilen in Medien ein „verschmitztes Verständnis hinter der einen oder anderen Motivation“. In der Berliner Presse sehe er jedoch in den vergangenen Monaten einen „Wandel“ . Es werde „scharfe Kritik“ geäußert, einige Journalisten seien daher bereits bedroht und von Linksextremisten als „rechte Hetzschreiber“ angefeindet worden.

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