© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  28/10 09. Juli 2010

WIRTSCHAFT
Merkels Alternative
Wilhelm Hankel

Wenn Inflationsgefahren drohen, werden in Deutschland angesichts vergangener Geldentwertungen Urängste wach. Weckte der Abschied von der D-Mark das Mißtrauen, was ein Versprechen wie „der Euro ist und bleibt so stark wie die Mark“ (so Finanzminister Theo Waigel 1998) wert sei, droht jetzt weit Schlimmeres. Mit der Übernahme der Haftung für die marodesten Staatsfinanzen der neueren Geschichte (also die Griechenlands und anderer „Club Med“-Staaten) durch die „gesunden“ Euro-Länder wird aus der bislang nur „gefühlten“ Inflation die echte. Die Europäische Zentralbank und eine mit Steuergeld gespeiste dubiose „Zweckgesellschaft“ (JF 26/10) zur Rettung des Euro wetteifern miteinander, ihn durch Ankauf wertloser Staatsanleihen wieder laufstark zu machen. Das Absurde: Mit dem Doping der Inflation wird der Euro nicht gestärkt, sondern sein Kollaps unvermeidbar gemacht.

Dahinter steckt weder der Sparkurs, den sich die Bundesregierung selbst bescheinigt, noch jene „keynesianische Vergiftung“, die Neoliberale in jedem deficit spending wittern. Das jetzige Rekorddefizit gilt nicht der Konjunktur, sondern dem Erhalt jener Banken, die sich ihren Konkurs redlich verdient haben. Es ist deren Notlage, die der EU endlich die Gelegenheit verschafft – Verträge her oder hin – ihre Kompetenzen auszuweiten, und sich neue Machtinstrumente zuzulegen. In dieser Krise klärt der Leviathan EU Europas Bürger unfreiwillig auf, wofür sie unverändert ihren eigenen, starken Staat brauchen: nämlich um ihre Interessen zu schützen und nicht fremde. Das ist weder Rückfall in Nationalismus noch Verweigerung europäischer Solidarität, sondern die Rückkehr zu Recht, Realität und ökonomischer Vernunft – zu jener Alternative ihrer Politik, die Angela Merkel noch sucht.

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