© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  30/10 23. Juli 2010

Kolumne
Europa ist nicht nur der Euro
Norbert Geis

In den vergangenen Monaten ist die Bedeutung des Euro und der Europäischen Union für unsere Finanz- und Wirtschaftspolitik deutlich geworden. Es kriselt gewaltig und es bedarf großer Anstrengungen und klarer Regeln auf dem Finanzmarkt, um den Euro stabil zu halten. Ursache für diese dramatische Entwicklung ist die Tatsache, daß wir alle, Staat und Gesellschaft über unsere Verhältnisse gelebt haben. Jetzt heißt es eisern sparen. Nur so können wir unseren Lebensraum Europa vor einer Katastrophe retten: Es muß sich erweisen, daß Europa mehr ist als nur eine Finanz- und Wirtschaftsunion.

Was die Finanzkrise angeht, so ist man sich heute einig, daß es deutliche Regelungen braucht. Diese Regelungen müssen sich von Europa auf den ganzen Weltmarkt ausbreiten.

Manche Reaktionen über die Beschlüsse und die Hilfen für Griechenland zeigen, daß weiterhin nicht erkannt wird, wie sehr Europa eine Schicksalsgemeinschaft ist. Sie demonstrieren, daß die Menschen der Mitgliedstaaten sich nicht uneingeschränkt mit der EU identifizieren und in Krisensituationen allein das eigene Fortkommen im Fokus steht. Das Bewußtsein darüber, wie wichtig die Europäische Union und ihre Stabilität für jeden einzelnen Mitgliedstaat ist und wie groß ihre politische Einflußnahme ist, fehlt. Für viele ist die Union ein Konstrukt, aber keine gelebte Realität. Das muß sich ändern.

Es geht nicht nur um den Euro, sondern insbesondere doch auch um die Möglichkeiten und Chancen, die die Union bietet. Nicht nur auf den Märkten bewegen wir uns frei, vielmehr ist ganz Europa ein Raum der Sicherheit und Freiheit. Das ist aber nicht selbstverständlich. Bestand kann dies jedoch nur haben, wenn sich die Europäer für Europa interessieren. Das gilt in besonderer Weise auch für die Politik der EU. Die Beteiligung bei Wahlen zum EU-Parlament ist mitunter alarmierend gering.

Schaut man auf die Forschung und Bildung oder auch auf die vielen Gemeinsamkeiten in kultureller Hinsicht, so hat die Union für den einzelnen viel zu bieten. Man muß diese Chancen nur wahrnehmen. Solidarität in finanzieller Hinsicht ist richtig, sie darf aber nicht zu einer Überforderung führen. Hier muß schon auch jedes Mitglied seine Hausaufgaben machen. Die Krise hat uns aufgerüttelt, besser hinzuschauen, was unsere Nachbarn tun und lassen. In jeder Hinsicht.

 

Norbert Geis ist Rechtsanwalt und seit 1987 Mitglied des Deutschen Bundestages.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen