© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  31-32/10 30. Juli / 06. August 2010

„Packt die Faschisten fein zerhackt in Kisten“
Aufruf zur Gewalt: Erstmals nehmen Verfassungsschützer in Niedersachsen und Brandenburg linksextreme Haßmusiker ins Visier
Lars Pohlmeier

Es herrscht schlechte Laune bei den Freunden linksextremer Musik. Zwei Landesämter für Verfassungsschutz haben gegen die Haßmusik von linksaußen Stellung bezogen.

Das Erwähnen linksextremer Musik in einem Verfassungsschutzbericht ist ein Novum. Bisher existierte Musik als Propagandamittel von Extremisten in den Augen der Verfassungsschützer nur auf der rechten Seite des politischen Spektrums. Sie konnten sich dabei auf eine ebenso umfangreiche wie alarmistische Literatur stützen, die zumeist aus dem Umfeld extremistischer Antifaschisten und deren einschlägiger Publikationen stammen.

Nun wird im Verfassungsschutzbericht von Niedersachsen der Stadt Göttingen attestiert, sie sei das Zentrum einer linksextremen Musikszene im Land. Die Verfassungsschützer machen diese Bewertung daran fest, daß in Göttingen nicht nur diverse Bands wie FuckFX und Antigen aktiv sind, sondern auch Konzertstätten wie das Juzi und der Theaterkeller Linksextremen zur Verfügung stehen (JF 39/09). Außerdem wird „Fire and Flames“ aus Göttingen als bedeutendster Konzertveranstalter der linksextremen Musikszene eingestuft.

Es bleibt abzuwarten, inwieweit die geänderte Wahrnehmung zu Konsequenzen führt. Ein Satz wie „Packt die Faschisten fein zerhackt in Kisten“ der Gruppe Propaganda Network aus Meppen wird vom niedersächsischen Verfassungsschutz zwar als Aufforderung zu einer Straftat eingestuft. Gerichte haben jedoch bisher bei der Beurteilung von linksextremen Liedern mehr als ein Auge zugedrückt.

Immerhin kann eine kritische Öffentlichkeit jetzt auf ein zweites Bundesland verweisen, um gegen linksextreme Musik zu protestieren. Auch Brandenburg hat sich des Problems nun offenbar angenommen. Auf seiner Internetseite titelt der brandenburgische Verfassungsschutz: „Linksextremistische Haßmusik: ‘Dein Blut fließt über den Asphalt’“ Und die Verfassungsschützer aus Brandenburg kommen zu dem Schluß: „Haß-Musik hat für die extremistische Szene eine nicht zu unterschätzende Bedeutung. Sie mobilisiert und beeinflußt gerade junge Menschen. Oft wird besungen, was sich dann in Straftaten Bahn bricht. (...) Haßmusik ist nicht dem Rechtsextremismus vorbehalten.“

Die in dem Bericht aufgeführten Beispiele schockieren. In Brandenburg an der Havel singt die Gruppe Die Visitor: „All cops are bastards / scheiß Bullenpack / Dein Blut fließt über den Asphalt! / Deine Kollegen mach ich schon noch kalt! / Cop Killer“.

In anderen Bundesländern gibt es eine genauso virulente linksextreme Musikszene wie in  Niedersachsen und Brandenburg. Das gilt insbesondere für Hamburg und Berlin. Es ist daher nur schwer nachzuvollziehen, warum dort nicht gegen linksextreme Musik vorgegangen wird. Gruppen wie Slime, Buttocks und Razzia aus Hamburg oder Conexion Musical, Terrorgruppe und Stromsperre aus Berlin stehen beispielhaft für eine Tradition linksextremen Ungeistes. 

Wenn der Rapper Holger Burner bei Auftritten in Brandenburg als „Haßmusiker“ eingestuft wird, warum dann nicht in seiner Heimatstadt Hamburg? Welche Verantwortung tragen Hamburger Richter, die der Gruppe Eight Balls erlauben, das Niederbrennen eines Burschenschaftshauses zu besingen?  Entgeht dem Verfassungsschutz in Berlin tatsächlich, daß der Berliner Autonomen-Barde Yok Quetschenpaua wegen seiner Brandstiftungsballade „Kudamm Burning“ in das Visier des niedersächsischen Verfassungsschutzes geraten ist? Es bleibt zu hoffen, daß der Verfassungsschutz in anderen Bundesländern sowie die Gerichte sich ein Beispiel an Niedersachsen und Brandenburg nehmen.

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