© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  31-32/10 30. Juli / 06. August 2010

Weniger wäre mehr
USA: Zahllose Geheimdienstorganisationen stehen sich selbst im Wege
Ivan Denes

Die Washington Post hat einmal mehr den Einfluß der vierten Macht im Staat unter Beweis gestellt. Als Ergebnis einer zwei Jahre dauernden Recherchearbeit veröffentlichte die Zeitung einen Bericht über den Wildwuchs der US-Geheimdienste nach dem 11. September 2001.

Nach dem Anschlag auf das World Trade Center überschlugen sich die Neugründungen verschiedenster Dienste. Laut Washington Post sind zur Zeit 1.200 Regierungsorganisationen und Dienstellen geheimdienstlich tätig, zusätzlich kommen ungefähr 1.900 private Unternehmen und Organisationen hinzu, denen sicherheitsrelevante Aufgaben zugewiesen wurden.

Es sollen über zehntausend feste Einrichtungen im zweiten „Top Secret America“ existieren, in denen insgesamt etwa 854.000 Menschen beschäftigt sind.  Allein in Washington gibt es 33 Gebäude, die für Operationen höchster Geheimstufe eingerichtet wurden oder sich noch im Bau befinden. Um die Geldströme zugunsten terroristischer Organisationen zu kontrollieren, gibt es nicht weniger als 51 föderale Organisationen und militärische Kontrollinstanzen in fünfzehn amerikanischen Städten. Die amtlich bekanntgegebenen Gesamtkosten der Geheimoperationen belaufen sich derweil auf jährlich 75 Milliarden Dollar. Ein Etat, der 21,5mal den aus dem Jahr 2001 übertrifft.

Unter der Schockwirkung der Angriffe vom 11. September 2001 setzte eine präzedenzlose Entwicklung der neugegründeten Regierungskörperschaften ein. So wuchs die Defence Intelligence Agency im Pentagon von 7.500 Beschäftigten (2002) auf 16.500 im Jahr 2010.

Bereits im Jahr 2004 erkannte der Kongreß die Gefahr der Überwucherung und schuf das Amt des Direktors der Nationalen Sicherheit (ODNI – Office of the Director of National Intelligence), um die Vorgänge unter Kontrolle zu bringen. Doch umgehend begann das Gerangel um Kompetenzen mit dem Pentagon und dem CIA. Die beabsichtigten Verbesserungen wurden jedoch von der Informationsmenge überflutet, die auf ODNI einströmte. Die Fähigkeit des Systems, diese auszuwerten und auf sie zu reagieren wurde enorm beeinträchtigt. Allein die Sammelnetzwerke der National Security Agency (NSA), die mit der elektronischen Überwachung beauftragt ist, speichern täglich 1,7 Milliarden elektronische Nachrichten und Telefongespräche. Keine dieser Dienststellen verfügt jedoch über eine ausreichende Anzahl von Übersetzern und Analysten, um das Material sachgerecht zu bearbeiten. Ergebnis all dieser Entwicklungen ist ein immenser Leerlauf, sind parallellaufende Bemühungen, ein unermeßliches Vergeuden von humanen und finanziellen Ressourcen.

Nichtsdestotrotz zeitigte diese Entwicklung auch erhebliche Erfolge. So wurden auf dem Gebiet der USA alle Terrorversuche vereitelt. Zahlreiche Figuren der Terrorszene wurden ausgeschaltet. Doch von den meisten Erfolgen dieses zweiten Amerikas erfährt die Öffentlichkeit kaum etwas.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen