© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  31-32/10 30. Juli / 06. August 2010

Vom Kabarett zur Comedy
Ausstellung: „Humor und Politik“ im Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig
Ekkehard Schultz

Politik und Humor sind keine Geschwister, sondern markieren fast immer einen Gegensatz. Denn nur in Ausnahmefällen stellt Politik etwas dar, was das Prädikat „lustig“ verdiente. In welcher Art und Weise sich der Humor von Kabarettisten und Karikaturisten in Deutschland seit 1945 entwickelt hat, zeigt jetzt das Zeitgeschichtliche Forum in Leipzig in einer Sonderausstellung.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges bestand eine hohe gesellschaftliche Nachfrage nach Unterhaltung und Satire. Schon wenige Monate nach der Kapitulation entstanden in verschiedenen Städten erste Kabarettbühnen, von denen sich aber viele aus finanziellen Gründen nur einige Jahre halten konnten. Einer überregionalen Bedeutung konnten sich schnell die „Stachelschweine“ (Berlin), das „Kommödchen“ (Düsseldorf) sowie die 1956 gegründete „Münchner Lach- und Schießgesellschaft“ erfreuen. Mit der zunehmenden Ausstattung mit Fernsehapparaten wuchs das Publikumsinteresse weiter an – Übertragungen aus den Kabaretts bescherten der damaligen Monopolanstalt ARD höchste Einschaltquoten.

Auch in der politischen Satire stellten die sechziger Jahre eine Umbruchzeit dar. Während die Moral- und Wertvorstellungen der Anfangsjahre allmählich aufbrachen, wurde der Humor deutlich schärfer und gesellschaftskritischer. Viele Kabarettisten nahmen nun auf der Bühne ganz direkt politisch Stellung, weil sie meinten, auf diese Weise mit dem „revolutionären Potential“ der Gesellschaft Schritt halten zu können. Daher wurde jede Art von Konvention massiv in Frage gestellt. Gleichzeitig wurde der gesellschaftliche Blick jedoch einseitig: Während für das Kabarett die konservative Bundesregierung ein politisches Feindbild markierte, blieb die  Auseinandersetzung mit den linken Gewaltexzessen jener Jahre die absolute Ausnahme.    

Viele Kabarettisten hofften auf einen Machtwechsel in Bonn. Als dieser jedoch tatsächlich mit der Kanzlerschaft von Willy Brandt vollzogen worden war, fehlte ihnen vielfach eine geeignete Reibungsfläche, wie sie etwa Adenauer, Erhard oder Strauß dargestellt hatten. Unter diesen veränderten Bedingungen verlor auch die Satire der Münchner Lach- und Schießgesellschaft erheblich an Bissigkeit. Erst einige Jahre später gelang es der Einrichtung, wieder an ihre alten Erfolge anzuknüpfen. Erneut hatte daran das Fernsehen einen großen Anteil: Populär wurden in den siebziger Jahren die „Notizen aus der Provinz“ sowie in den Achtzigern der „Scheibenwischer“, beide unter federführender Leitung von Dieter Hildebrandt. Dabei wurde allerdings erneut vor allem auf Anti-CDU- und Anti-Bayern-Affekte gesetzt.    

Mit dem Sendebeginn der privaten Kanäle in der Bundesrepublik Mitte der achtziger Jahre setzte ein allmählicher Verfall der traditionellen Kabarett-Kultur ein. Aus Amerika wurde das dort bereits erfolgreiche Comedy-Format übernommen. Damit konnte einerseits ein weit größeres Publikum erreicht werden, auf der anderen Seite wurde die deutliche inhaltliche Verflachung bald offensichtlich. Zumeist setzten sich die Sendungen bewußt über jegliche Geschmacksgrenzen hinweg.  

Heute scheint die „Spaßgesellschaft“ überhaupt keine Tabus mehr zu kennen. Jederzeit ist es möglich, Politiker in fast jeglicher Form der Lächerlichkeit preiszugeben, ebenso die Kirchen, die christliche Religion, die Bundeswehr oder auch die nationalen Symbole.

Ist aber der Satire tatsächlich alles möglich, wie Kurt Tucholsky einst notiert hatte? Mitnichten. 1987 erhielt der Showmaster Rudi Carrell nach einem vergleichsweise harmlosen Sketch mit büstenhalterwerfenden Musliminnen Morddrohungen. Noch schärfer fielen die Reaktionen aus, nachdem die dänische Zeitung Jyllands-Posten 2005 einige Mohammed-Karikaturen veröffentlicht hatte. Seitdem wurden nicht nur auf deren Schöpfer, den Zeichner Kurt Westergaard, mehrere Anschläge verübt. Darüber hinaus sah sich die dänische Regierung zu einer Entschuldigung gezwungen. Seither bestehen nicht nur dort, sondern auch in vielen anderen westlichen Staaten große Hemmungen, sich mit dem Thema Islam in satirischer Weise auseinanderzusetzen.

Doch auch in Deutschland sind letztlich einige Grenzbereiche erhalten geblieben. So fand ein Teil der ARD-Rundfunkräte 2008 Harald Schmidts „Nazometer“, mit dem in satirischer Weise Kritik an der deutschen Political Correctness und der Anti-Rechts-Hysterie geübt werden sollte, überhaupt nicht witzig. Daher durfte in den folgenden Sendungen darauf keinerlei Bezug mehr genommen werden.

Vollkommen unbeanstandet blieb dagegen der Titel der Ausgabe 7/2001 des Satiremagazins Titanic mit einer Abbildung des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch. Die Schlagzeile lautete: „Ethik-Kommission ratlos: Wo beginnt menschliches Leben?“

Die Ausstellung „Spaß beiseite. Humor und Politik in Deutschland“ ist bis zum 24. Oktober im Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig, Grimmaische Straße 6, täglich außer montags von 9 bis 18 Uhr, Sa./So. ab 10 Uhr, zu sehen. Der Eintritt ist frei. Telefon: 03 41 / 22 20-0

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen