© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  31-32/10 30. Juli / 06. August 2010

Christentum als Abwehrpanzer
Marcello Peras Bekenntnis
Werner Olles

Wenn ein Liberaler ein Plädoyer für das Christentum hält, dann ist man zunächst einmal skeptisch. Doch Marcello Pera, Professor für theoretische Philosophie und Wissenschaftsphilosophie, bis 2001 Vizepräsident von Berlusconis „Forza Italia“ und später Präsident des italienischen Senats und damit zweithöchster Staatsmann Italiens, belehrt den Leser bald eines Besseren.

Pera bezeichnet sich als „säkularen Liberalen, der sich an das Christentum wendet, weil er von ihm Gründe der Hoffnung erwartet“. Den europaweiten Abfall von der christlichen Religion hält er für fatal, gemeinsam übrigens mit Papst Benedikt XVI., der das Vorwort zum Buch geschrieben hat. Zwar sind wir „in unserem eigenen Hause“ dabei, Millionen von Muslimen zu integrieren, doch unsere eigene kulturelle Identität, zu der das Christentum als wesentlichstes Element gehört, opfern wir leichtfertig der Multikulturalität, die selbst laut Benedikt XVI. „nicht den Weg in die Zukunft weisen kann“.

Was hiesige kirchliche Würdenträger kaum hinter vorgehaltener Hand zu sagen wagen, spricht Pera offen aus: Ein interreligiöser Dialog im strengen Sinne des Wortes ist schlechterdings völlig unmöglich, weil die eigentlichen Glaubensentscheidungen für den wirklich Gläubigen im Grunde nicht zur Diskussion stehen. Das einzige was bleibt, ist dann im Zweifelsfall ein Dialog über die Verschiedenheit jeweiliger Überzeugung. Doch sind wir selbst dabei ins Hintertreffen geraten zugunsten typisch liberaler Maßnahmen, die grundlegende christliche Werte per Zensur und Gesetz abschaffen und stattdessen eine Mischung aus Humanitarismus, Utilitarismus, Subjektivismus und Permissivismus betonen. Nebenbei hat diese Politik der offenen Grenzen, der großzügigen Aufnahme von Immigranten und der Akzeptanz auch der abwegigsten Forderungen und Sitten der Fremden in nicht wenigen europäischen Metropolen soziale Spannungen hervorgerufen, zur Inanspruchnahme staatsfreier Bereiche mit besonderer Rechtsprechung geführt sowie zu ethnischen und religiösen Ausschreitungen in Frankreich, Großbritannien und den Niederlanden.

Der wahre Stein des Anstoßes, behauptet Pera nicht ohne Grund, ist jedoch die Religion. In Europa sieht der Autor an allen Fronten  eine Schlacht gegen das Christentum, das Europa aus der Taufe und über Jahrhunderte hinweg großgezogen hat, im Gange. Doch offenbart die Ablehnung der eigenen Wurzeln eine entscheidende Schwäche, die der Islam als Religion des Schwertes für sich auszunutzen weiß.

Marcello Pera: Warum wir uns Christen nennen müssen. Plädoyer eines Liberalen. Sankt Ulrich Verlag, Augsburg 2009. gebunden, 224 Seiten, 19,90 Euro

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