© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  33/10 13. August 2010

Kolumne
Ein magischer Zirkel
Wolfgang Ockenfels

Kaum haben sich die Stürme der Finanz- und Wirtschaftskrise ein wenig verzogen, verkünden die Schönwettermacher bereits das Ende der Krise. Die Sonne des Wachstums erscheint am östlichen Horizont, ein warmer Regen von Aufträgen und Gewinnen tropft in die Geschäftsbücher und Staatskassen, die Arbeitslosigkeit geht leicht zurück, der Goldpreis fällt. Wie schön.

Vielleicht beruht der mentale Klimawandel nach der großen Krise auf Täuschung. Meteorologen wissen, daß Wetterveränderungen noch längst keinen Klimawandel ausmachen. Berufsoptimistische Politiker, die auf die nächsten Wahlen starren, wie auch die auf schnelle Erfolge eingestellten Manager wollen diese meteorologische Unterscheidung nicht wahrnehmen. Sie machen aus einer Schwalbe einen ganzen Sommer und haben nur eine Sorge, daß nämlich ihr schöner kleiner Aufschwung „kaputtgeredet“ werden könnte:

Jetzt bloß keine Debatten mehr führen über das anhaltende moralische Fehlverhalten vieler Bankmanager, jetzt bloß nicht mehr die schweren ordnungspolitischen Sünden der Politiker zur Sprache bringen, jetzt bloß nicht mehr an die wachsende Staatsverschuldung erinnern. Denn die Leute sollen der Regierung glauben, es würde „gespart“, das heißt Geld zurückgelegt, wo doch nur die Neuverschuldung ein wenig begrenzt wird. Mit Mühe und Not bedient der staatliche Kapitalismus die Zinsen für seine expliziten Kredite. Aber keiner sollte sein Credo daran verschwenden zu glauben, daß die impliziten Staatsschulden von über sieben Billionen Euro (einschließlich der künftigen Pensionsforderungen) jemals getilgt werden könnten. Über die jetzt wieder staatlich verlautbarte Rentengarantie werden die in zwanzig Jahren zur Herrschaft gelangten Schrumpfgermanen nur lachen: Keine Kinder, keine Rente.

Aber auch: Ohne Kinder kein Wachstum. Inzwischen wird schon ein geringes Wirtschaftswachstum als großer Erfolg gefeiert. Und vom Wachstum erwartet man eine Lösung der Schuldenkrise, obwohl die Schulden erheblich gewachsen sind, um gerade das Wachstum zu beschleunigen. Ein magischer Zirkel, der uns seit Jahrzehnten umkreist: Die Schulden bewirken ein Wachstum, das gerade durch sie gehemmt wird. Und kaum ist wieder etwas Wachstum da, verschärft sich der Umverteilungskampf im Abstand zwischen Arm und Reich. Ist das alles naturgesetzlich vorgegeben? Wir sollten uns Gedanken machen über eine neue Ordnung von Wirtschaft, Gesellschaft und Staat.

 

Prof. Dr. Wolfgang Ockenfels ist Publizist und Professor für christliche Sozialethik an der Theologischen Fakultät Trier.

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