© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  34/10 20. August 2010

Politische Nebelkerzen zur Beruhigung
Islamismus: Nach der Schließung der Hamburger Taiba-Moschee müssen die Behörden ihr jahrelanges Zögern erklären
Sverre Schacht

Auch nach der Schließung der Hamburger Taiba-Moschee bleiben Fragen. Warum erst jetzt, lautet die in der Hansestadt am häufigsten gestellte, seitdem Hamburg in der vergangenen Woche das islamische Gotteshaus und den Arabisch-Deutschen Kulturverein e.V. als Träger verboten hat. Dabei ist seit langem bekannt: Die Terroristen des 11. September 2001 planten hier ihre Anschläge auf New York, da hieß die Moschee noch Al-Quds. Seither haben sich Namen und Vorbeter geändert, die staatliche Überwachung verschärft, doch das unscheinbare Haus blieb Kristallisationskern einer haßbereiten Parallelwelt. Für die Öffentlichkeit ist das späte Eingreifen daher ein Skandal. Für die Ermittler dagegen ein lang vorbereiteter mühsamer Etappensieg – ihr stärkster Gegner: deutsche Richter.

Die Polizei hat die Taiba-Moschee in einem Großeinsatz geschlossen, sackweise Bargeld und Unterlagen sichergestellt. Jetzt ist es still im Geschäftshaus im innenstadtnahen St. Georg. Das Viertel ist geprägt von arabischen Gemüse- wie Hochzeitsmodeläden und deutschen Pornokinos. Seit Hamburgs designierter Erster Bürgermeister und Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU) den Moschee-Verein verboten hat, reißt die Kritik nicht ab. Islamische Verbände bezeichnen die Schließung als Fehler, denn jetzt würden die Radikalen auf ihre Moscheen und Vereine ausweichen. Besonders aber die Frage, warum erst jetzt eingegriffen wurde, macht Ermittler wie Verfassungsschützer nervös. Ihre Antworten zeigen: Der Rechtsstaat tut sich mit seinen extrem gewaltbereiten Gegnern aus der Szene des radikalen Islam äußerst schwerer.

Beim Landesverfassungsschutz hat man den Zugang zu radikalen Muslimen inzwischen verbessert. Anders als nach den Anschlägen vom 11. September sind V-Leute vorhanden, die Informationen vor Ort sammeln. Die verdeckten Ermittler könnten sich glaubhaft im Milieu bewegen, versichert ein Sprecher. Das ist nötig, denn Informationen von muslimischen Bürgern, die bei den Behörden eingehen, sind Mangelware. Gemäßigte Muslime verirrten sich höchstens einmal in ihrem Leben in die Taiba-Moschee, kämen dann nie wieder, so ein Ermittler: „Die wissen dann, was da abläuft.“

Die Hamburger Politiker bemühen sich derweil, die Woge öffentlicher Aufregung zu glätten. Die ist groß, weil längst bekannt ist, daß in der Moschee nebst Hinterzimmern der Haß gegen den Westen gepflegt wird, ohne daß eingeschritten wurde. Im Ausland galt es als schick, in der Taiba zu beten. Besucher kamen aus ganz Europa.

Selbst wenn die Predigten schärfer als in anderen Moscheen ausfielen – offene Aufrufe zu Gewalt oder heiligem Krieg mieden die meist aus dem Ausland kommenden Taiba-Imame seit 2001. Das gab es vorher, so Ermittler, doch seit Jahren sei das nicht nachweisbar. Die Prediger wissen, daß sie beobachtet werden und wie sehr sie mit radikalen Aufrufen ihren ausländerrechtlichen Status gefährden. Abschiebungen waren bisher noch das schärfste Instrument der Behörden gegen Radikale aus dem Umfeld der Moschee. Doch was vordergründig hilft, verhindert eine juristische Aufarbeitung. Dafür fehlte es nach Erfahrung der Ermittler an gerichtsfestem Material.

Die Chance zur Schließung sahen sie erst, als ihnen 2009 Kommissar Zufall in Form einer radikalisierten Reisegruppe mit Taiba-Kontakten Beweise für Verbindungen in die internationale Szene lieferte. Das überzeugte Hamburger Richter von der Gefahr. Noch Anfang 2010 war ein Verbotsantrag vor Gericht gescheitert. „Erst das Oberverwaltungsgericht hat sich Ende Juli unserer Haltung angeschlossen“, sagte ein Sprecher der Innenbehörde.

Seit 2001 konzentrieren sich die Ermittler daher zwangsweise darauf, eine regelrechte Sozialstudie zum Gedeihen des Vereins anzulegen: „Im Laufe der Jahre entwickelte sich die Moschee mehr und mehr zu einem Sammelbecken einer multiethnischen Klientel, die aber ideologische Gemeinsamkeiten – u. a. die Bejahung des bewaffneten Dschihad als legitimes Mittel – aufwiesen“, so die Innenbehörde in der Stellungnahme zur Schließung. Immer wieder hätten sich „Zirkel“ gebildet, „in denen positiv über den Dschihad diskutiert wurde“. Als sich 2003 eine Moschee-Gruppe in den Irak absetzen wollte, um sich „terroristischen Strukturen“ anzuschließen, sahen weder Politik noch Gerichte den Zeitpunkt zum Eingreifen. „Verfestigte Teilstrukturen“ verstellten den Blick für das Ganze.

Auch jetzt ist der Durchbruch gegen den eigentlich überschaubaren harten Kern der lokalen Islamistenszene von rund 45 Mitgliedern in der Hansestadt nicht gelungen. Der Deutsch-Syrer Mamoun Darkanzanli, Kontaktmann von al-Qaida und laut Behörden „Haßprediger“, leitete bis vor kurzem das Freitagsgebet an der Taiba-Moschee. Er ist nach wie vor auf freiem Fuß. Ahlhaus’ Kommentar zur Schließung: „Der Spuk hat endlich ein Ende“, darf somit als politische Nebelkerze gelten. Der Vorstand der Moschee hat wenig zu befürchten – höchstens eine Mitverantwortung durch Kenntnis der Umstände wird ihm seitens der Behörden vorgeworfen. Die trösten sich damit, daß es unter den gewaltbereiten Taiba-Besuchern nur wenige deutsche Konvertiten gab.

Foto: Polizisten sichern den Eingang der Taiba-Moschee in Hamburg: „Der Spuk hat endlich ein Ende“

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