© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  34/10 20. August 2010

UMWELT
Kabeljau in Seenot
Volker Kempf

Kabeljau-Filets liegen kiloweise für unter sieben Euro in den Tiefkühltruhen deutscher Supermärkte – doch wie lange noch? Der EU-Rat für Landwirtschaft und Fischerei hat sich erstmals 2004 mit der Gefährdung der einst meistverbreiteten Fischart der Welt beschäftigt. Das Einsetzen wirkungsvoller Schutzmaßnahmen sei das Gebot der Stunde. Fangquoten wurden festgelegt. Trotzdem wurden voriges Jahr über 15.000 Tonnen Kabeljau erst gefangen und dann in der Nordsee entsorgt. Die Gründe: Die Quoten der Fischer waren bereits ausgeschöpft oder die gefangenen Jungtiere zu klein, um sie zu vermarkten. Derzeit wird die Einhaltung von Fangquoten erst bei der Anlandung kontrolliert. Will man an diesem verschwenderischen Umgang mit einem außerordentlich knappen Gut etwas ändern, muß die Fangmenge als solche erfaßt werden, etwa durch Bordkameras, wofür die Umweltstiftung WWF plädiert.

Zudem bestünde die Möglichkeit, Gebiete mit hohem Jungfischbestand vorübergehend für die Fischerei zu sperren. Auch selektive Fangmethoden könnten vermehrt eingesetzt werden – bisher sind sie erst bei einer zu 90 Prozent ausgeschöpften Fangquote vorgeschrieben. Dem ökologisch wie wirtschaftlich absurden Zustand in der Nordsee-Fischerei kann also etwas entgegengesetzt werden. Doch dazu ist politisches Handeln notwendig. Wenn Grenzen des Wachstums erreicht sind, muß dies konsequent geschehen. Sonst kommt es zum Raubbau, wie er derzeit beim Kabeljau stattfindet. Davon hat letztlich selbst die Fischereiindustrie nichts – wenn sie langfristig denkt. Es müssen für alle verbindliche Regeln gelten, die gleichzeitig wirksam überwacht werden. Doch genau darin scheint die Schwierigkeit zu bestehen.

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