© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  34/10 20. August 2010

Pankraz,
Frau Rhode und der Preis der Schönheit

Zu den folgenreichsten Freiheitseinschränkungen, welche die Einführung der sogenannten Political Correctness in den westlichen Ländern mit sich gebracht hat, gehört der Verlust der Einstellungsfreiheit. Arbeitgeber dürfen die Personen, denen sie Arbeit geben wollen, nicht mehr frei aussuchen, sondern sie müssen sich an Quoten und andere Auflagen halten, die durch neuartige Gesetze vorgeschrieben werden oder demnächst vorgeschrieben werden sollen.

Mediale Aufpasser sind unterwegs und verbellen jeden Unternehmer bzw. Personalchef, der – scheinbar oder wirklich – gegen irgendein Gebot des überall ins Kraut schießenden Anti-Diskriminierungseifers verstößt. Merkmale wie Geschlecht, Rasse, Herkunft oder Religionszugehörigkeit dürfen bei Einstellungsgesprächen schon lange keine Rolle mehr spielen. Aber auch sonst hat heute faktisch jeder abgelehnte Bewerber die Möglichkeit, sich wegen seiner Ablehnung beim Kadi zu beschweren und dem Ablehner die Hölle heiß zu machen.

 Eine Grauzone der Einstellungsunsicherheit ist entstanden, die sich immer weiter ausweitet und unternehmerische Initiativen empfindlich beeinträchtigt. In den USA geht es derzeit um „appearance discrimination“, also um Ablehnung wegen des Aussehens. Es soll künftig gesetzlich verboten werden, daß ein Unternehmen einen Bewerber ablehnt, weil der so oder so aussieht. Aber damit, findet Pankraz, beißt sich die ganze Einstellungshysterie endlich regelrecht in den Schwanz, was sich unter Umständen mäßigend auswirken könnte.

Bemerkenswert ein Aufsatz der amerikanischen Topjuristin Deborah L. Rhode im angesehenen Boston Globe. Frau Rhode zeigt sich tief empört über die sich angeblich immer weiter ausbreitende Ablehnung besonders von Frauen wegen „falschen“ Aussehens, verheddert sich dann aber hoffnungslos in ihrer eigenen Argumentation. „Weibliche Arbeitskräfte“, schreibt sie, „können bestraft werden, weil sie zu attraktiv sind, und dann wieder, weil sie nicht attraktiv genug sind. In gehobenen Positionen werden schöne oder sexy Frauen Opfer dessen, was Sozialwissenschaftler den Bimbo-Effekt nennen – ihre Kompetenz wird bezweifelt und ihr Professionalismus abgewertet.“

Was wirft sie den Einstellern nun eigentlich vor, Ablehnung wegen Schönheit oder Ablehnung wegen Häßlichkeit? Das sind doch für einen Unternehmer völlig untergeordnete Gesichtspunkte, gerade wenn es um „gehobene“ Positionen geht! Wer einen tüchtigen Elektroingenieur sucht, der schaut (ob sich nun ein Er oder eine Sie bewirbt) auf die Qualität der Bewerbungsunterlagen, Meisterbriefe, Studienabschlüsse usw., und im anschließenden Gespräch geht es um die Reaktion der Bewerber auf fachliche Testfragen und andere Eignungserkundigungen . Was hat denn das mit „Bimbos“ zu tun?

Ähnlich dubios klingt folgende Passage in dem Rhode-Aufsatz. „Ältere Frauen werden ebenfalls an einem Doppelstandard gemessen. (…) Männer dürfen vornehm aussehen, wenn sie altern, sie können in Würde ergrauen, Frauen nicht. Einen Larry King akzeptieren die Fernsehzuschauer, ein weibliches Pendant würden sie nicht akzeptieren. Dieses würde sich nur lächerlich machen, man würde ihm vorwerfen, eitel und narzißtisch zu sein und sich zu sehr anzustrengen, jung auszusehen.“

Und was ist mit Oprah Winfrey? kann man da nur gegenfragen. Die ist, um es uncharmant auszudrücken, auch nicht mehr die Jüngste, doch wird sie von den Fernsehzuschauern voll akzeptiert und macht sich keineswegs lächerlich. Sie ist – weit vor Larry King – in Amerika die erfolgreichste Moderatorin einer gehobenen Talkshow überhaupt und gibt als solche geradezu das Vorzeigemodell weiblicher Fachtüchtigkeit ab, verdient Milliarden. Ihre Eitelkeit stört dabei nicht im geringsten, gehört im Gegenteil zum Erfolg dazu. Jeder Personalchef würde ihr ohne jede Bimbohaftigkeit huldigen.

Doch das in Aussicht genommene Verbot der „Diskriminierung von Stellenbewerbern wegen ihres Aussehens“ ist beileibe kein exklusiv feministisches Projekt. Es ist vielmehr Teil einer schon seit längerem zu beobachtenden Strategie westlicher Demokratien, die Freiheit der Bürger zugunsten vorgeblicher „Gleichheit“ immer mehr einzuschränken und schließlich ganz abzuschaffen. Man schreckt dabei vor nichts mehr zurück. In intimste Bereiche des Lebens wird hineinregiert, Konstellationen sollen gesetzlich „geregelt“ werden, die sich gar nicht regeln lassen, wie eben das Aussehen.

Kein Gesetz kann doch einen Arbeitgeber daran hindern, zwischen zwei fachlich gleich guten Bewerberinnen so oder so zu entscheiden. Die eine gefällt ihm vom Aussehen her besser als die andere, also wählt er diese. Es ist auch vorstellbar, daß diejenige, die er nicht wählt, bei genauer Betrachtung fachlich etwas geeigneter ist als die mit dem „besseren“ Aussehen. Aber nur Narren oder hoffnungslose Dogmatiker werden ihm das verübeln. Die Geschmäcker sind verschieden, und über Geschmacksurteile, wußte schon Kant, läßt sich nicht streiten, geschweige denn richten.

Übrigens kann auch das Aussehen ein erstrangiger Wirtschaftsfaktor sein; nicht die wenigsten Stellenausschreibungen gelten bekanntlich der Herausfindung des Schönsten oder der Schönsten. In solchen Fällen würde ein Gesetz gegen „appearance discrimination“ seine volle Absurdität zutage fördern, und das nicht nur bei der Einstellung von „Models“ für den Laufsteg, sondern beispielsweise auch von Sekretärinnen für den gewöhnlichen Büroalltag. Man muß kein „Bimbo“ sein, um zu wissen, daß eine nicht nur tüchtige, sondern dazu auch noch schöne Sekretärin die Geschäfte ungemein befördern kann.

Wie lautet ein altes jüdisches Sprichwort? „Die Schönheit eines Mannes ist sein Verstand, und der Verstand einer Frau ist ihre Schönheit.“ Das ist zwar nicht politisch korrekt und auch naturwissenschaftlich anfechtbar. In der Empirie des Lebens aber trifft es in erstaunlich vielen Fällen zu, und kein Gesetz wird je etwas daran ändern können. 

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