© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  34/10 20. August 2010

CD: Neofolk
Herrisch
Nils Wegner

Wenn es in den USA so etwas wie „Multifunktionäre der Kontroversität“ gibt, dann ist der 1969 geborene Michael Jenkins Moynihan sicher einer davon. Wer sich sein publizistisches Wirken als Mitarbeiter mehrerer Verlage, Herausgeber der amerikanischen Fassungen einiger Bücher von Julius Evola und Autor des kontroversen Buches „Lords of Chaos“ über die teilweise blutige Geschichte der europäischen Black-Metal-Szene vor Augen führt, wird kaum für möglich halten, daß der Mann ursprünglich Musiker ist.

Im zarten Alter von 15 Jahren begann Moynihan unter dem Namen „Coup de Grâce“ (Gnadenstoß) aggressiven Lärm aufzunehmen, der schnell Anklang innerhalb der Mitte der Achtziger aufkommenden Industrial-Szene fand. 1989 dann gründete er die Band Blood Axis, deren Musik von Neofolk über Postpunk bis hin zum Industrial reichte und die mit dem wegweisenden Debütalbum „The Gospel Of Inhumanity“ 1995 sofortigen Kultstatus erlangte.

Mit „Born Again“ ist nun, fünfzehn Jahre später, das zweite Studioalbum der dreiköpfigen Formation um Moynihan, seine Gefährtin und Violinistin Annabel Lee sowie den Gitarristen Robert Ferbrache erschienen. Eingeleitet von sphärischen Klängen und einer Rezitation des antiken Dichters Ovid, wird das Album all jene enttäuschen, die lediglich eine Fortsetzung der „Gospel ...“ erwarten. Blood Axis haben sich musikalisch enorm weiterentwickelt, ohne jedoch etwas von ihrem herrischen Grundton einzubüßen.

Dies zeigt sich schon im „Song Of The Comrade“, der auf einer Übersetzung des berüchtigten Gedichts „Kameradschaft“ von Herybert Menzel beruht – einer Übersetzung, die von dem „esoterischen Hitleristen“ Miguel Serrano stammt. Dezent untermalt und von Moynihans tiefer Stimme mit dem Ernst eines Predigers vorgetragen, verliert der martialische Text seine Schärfe und wird zu einem tatsächlichen Hymnus an kameradschaftliche Bindung.

Mit dem mitreißenden „Mâdhu“ und dem verhaltenen „Wulf And Eadwacer“ schließen sich zwei Interpretationen altertümlicher englischer Lieder über Honigwein und enttäuschte Liebe an, ehe „The Dream“ die größte Überraschung des Albums bereithält. Trotz des englischen Titels hebt Moynihan an, zu einer traurigen Weise das mittelhochdeutsche Gedicht „Owê war sint verswunden“ Walthers von der Vogelweide vorzutragen. Gerade aufgrund seines charmanten Akzents brilliert er, der einen Universitätsabschluß in Deutsch vorweisen kann, bei der Rezitation der nachdenklichen Verse über das Altern und das damit einhergehende Unverständnis gegenüber neuen Sitten und Gebräuchen. Gleiches gilt für das ebenso melancholische „Erwachen in der Nacht“, dem ein Gedicht von Hermann Hesse zugrunde liegt.

Auch „Churning And Churning“, die Weiterentwicklung eines Beitrags Moynihans zum Hörspielprojekt „Messages for 2099“ des Hessischen Rundfunks, fügt sich mit seinen anklagenden Worten gegen den nihilistischen Zeitgeist und das Niederhalten edlen Geistes nahtlos in die Konzeption des Albums ein, wozu auch das furiose Geigenspiel Annabel Lees beiträgt. Beschlossen wird „Born Again“ mit Worten Eric Arthur Blairs, besser bekannt als George Orwell.

Blood Axis sind zurück; musikalisch gewandelt, doch kraftvoll und rücksichtslos wie eh und je. Zu neuen Ufern in alter Frische!

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