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© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 34/10 20. August 2010
Neues französisches Kino in der ARD: „Die Klasse“ – Harter
Schulalltag in einem Pariser Vorort Rechtzeitig zum neuen Schuljahr strahlt die ARD den Cannes-Sieger von 2008 aus, der die tägliche Konfrontation im Klassenzimmer hautnah vermittelt. François Marin (François Bégaudeau) ist kein Superlehrer, wie man ihn aus Hollywood-Filmen über didaktische Triumphe wider alle Widrigkeiten kennt; kein Idealist, auch keiner, der sich kumpelhaft bei den Jugendlichen anbiedert. Aber er ist ein engagierter Pädagoge, der das geltende Handy-Verbot unsinnig und Anreize wirksamer als Bestrafungen findet. Mit einem Schutzpanzer aus feiner Ironie wappnet er sich für den Schulalltag in einem Pariser Vorort, wo die Lebenswirklichkeit der Vierzehn- bis Fünfzehnjährigen, die zum großen Teil aus Migrantenfamilien stammen, und der staatliche Bildungsanspruch weit auseinanderklaffen – Frontalunterricht im wahrsten Sinne des Wortes. Der verbale Schlagabtausch, bei dem François und seine Schüler sich gegenseitig aus der Reserve zu locken versuchen, eskaliert schließlich zur körperlichen Gewalt, und der Disziplinarausschuß wird einberufen, um über den Ausschluß eines Schülers zu beschließen. Damit ist die Handlung im wesentlichen schon erzählt; die eigentliche Stärke dieses unbedingt sehenswerten Films von Laurent Cantet nach dem Roman des Hauptdarstellers Bégaudeau liegt in den Einzelszenen: Im dokumentarischen Stil zeigt er den Elternsprechtag, die Notenkonferenz, den ständigen Kampf gegen Lust- und Respektlosigkeit. Beim Ausraster eines Kollegen im Lehrerzimmer liegen die Nerven blank. In 124 Minuten werden die Räumlichkeiten der Institution nur für kurze Zwischenspiele auf dem Pausenhof verlassen, wie der Originaltitel „Entre les murs“ („Zwischen den Mauern“) treffend verdeutlicht. Daß die Beklemmung dennoch nicht überhand nimmt, liegt an der überaus sympathischen Besetzung aus jugendlichen Laiendarstellern. |