© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  35/10 27. August 2010

Hamburgs CDU sieht grün
Von-Beust-Nachfolge: Um Erster Bürgermeister der Hansestadt zu werden, hat Christian Ahlhaus sein konservatives Profil geopfert
Sverre Schacht

Christoph Ahlhaus (CDU) hat sich redlich bemüht. Nichts hat er unversucht gelassen, sein Medien-etikett als „Rechter“ abzuschütteln, um die Hamburger Grünen zu einer Fortsetzung der schwarz-grünen Koalition zu bewegen – mit Erfolg. Ahlhaus bestimmt künftig als Erster Bürgermeister die Geschicke der Hansestadt (seine Wahl durch die Bürgerschaft stand bei Redaktionsschluß noch nicht fest) – und das deutschlandweite Modellprojekt Schwarz-Grün wird immer grüner.

Dabei hatte es nach dem Rücktritt Ole von Beusts zunächst ganz anders ausgesehen. Wegen der vermeintlich ausgeprägt konservativen Einstellung seines designierten Nachfolgers prophezeiten Experten das nahe Ende des schwarz-grünen Experiments an der Elbe. Doch es sollte anders kommen: Wenige Stunden, nachdem die CDU ihn am vergangenen Wochenende einstimmig zum Bürgermeisterkandidaten gewählt hatte, sicherten auch die Grünen ihre Unterstützung zu.

Doch nicht Ahlhaus hat sich durchgesetzt, sondern die Grünen nutzen geschickt die inhaltliche Schwäche und Abhängigkeit der CDU und zwangen Ahlhaus zu zahlreichen Zugeständnissen. Seine Gastmitgliedschaft bei der Heidelberger Studentenverbindung „Ghibellinia“ ließ Ahlhaus bereits streichen, bevor er die Grünen um Zustimmung für die Fortsetzung der Koalition bat. Belege für einen medial verbreiteten Ruf als „Hardliner“ sind ohnehin rar. Laut Spiegel hat sich Ahlhaus diesen zwar hart erarbeitet: „Bundeswehreinsatz im Inneren, Asylpolitik, Videoüberwachung öffentlicher Räume – der Innensenator hatte immer forsche Vorschläge parat.“ Tatsächlich stolperte Ahlhaus aber mit derartigen Anträgen weitgehend chancenlos durchs schwarz-grüne Bündnis. Jede klassische CDU-Politik scheiterte an Beust, der das Bündnis als neue Machtoption lange vorbereitet hatte.

Daß Ahlhaus das Beustsche Projekt als Innensenator nicht kritisch begleitete, sondern sich in die Kronprinzenrolle fügte, zeigt: Das Bündnis war seitens der CDU auch nach Beusts Rücktritt zu keiner Zeit in Gefahr. Ahlhaus wirkt nun als ein „Mr. Feelgood“, zuständig für schwarz-grüne Wohlfühlstimmung. Die CDU-Spitze traut Ahlhaus zu, den in den vergangenen Jahren arg strapazierten Kontakt zur konservativen Parteibasis nicht ganz abreißen zu lassen. Doch Ahlhaus hat sich als Hoffnungsträger für eine Annäherung der CDU-Spitze an die durch die Debatte um die Schulreform von der Partei zusehens entfremdeten Mitglieder mit seinem bedingungslosen Annäherungskurs an die Grünen wohl schon selbst schachmatt gesetzt.

Seit vergangenem Sonntag droht dem Bündnis jedenfalls seitens der Grünen keine Gefahr mehr. Die Mitglieder der Grün-Alternativen sprachen sich mit deutlicher Mehrheit für die Fortsetzung der Koalition aus. „Die Spielregeln haben sich nicht verändert“, sagte Katharina Fegebank, die mit 33 Jahren landesweit jüngste Parteichefin. Junge Grüne aus dem bürgerlichen Umfeld wie Fegebank wollen den gesellschaftlichen Umbau, den die CDU zwecks Machterhalts zuläßt. Aus dieser Sicht bietet sich die Fortsetzung an, weil der große bereitwillig zum inhaltlich kleinen Partner mutiert. Den grünen Ahlhaus-Befürwortern wie Michael Groß geht es bei dem Pakt um das „gesamte Reformgebäude“, die Chance zu radikalen Veränderungen, die es mit dem langjährigen grünen Wunschpartner SPD beispielsweise in der Schulfrage nicht gibt.

Ahlhaus kommt dem nach Kräften entgegen. Geschmeidig lächelt er grüne Vorbehalte gegen seine Person weg. Als eine der letzten Aufgaben als Innensenator gab er grünes Licht für das „Schanzenfest“ – die Party der linken Szene der Stadt, in deren Umfeld es immer wieder zu Ausschreitungen oder gar schweren Straßenschlachten kommt. Ein weiteres Geschenk an die Grünen: Es gibt wieder einen Kultursenator. Ahlhaus hatte das Amt noch vor Tagen erklärtermaßen einsparen wollen.

Vor diesem Hintergrund wird nicht einmal die Personalie des von Ahlhaus als Wirtschaftssenator vorgesehenen Ian Karan die Grünen stören. Dabei hatte der gebürtige Ceylonese mehrfach für die Partei des bei den Grünen bis heute verhaßten Ronald Schill gespendet. Schwerer dürfte den Grünen die Berufung des Verfassungsschutzchefs Heino Vahldick zum Innensenator im Magen liegen. Dennoch, Grüne wie Fegebank bleiben dabei: Es gebe „kein Zeichen, daß sich die CDU nach rechts verschiebt“.

Foto: Christoph Ahlhaus (CDU) und Koalitionspartnerin Christa Goetsch: Die Grünen geben die Richtung vor

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