© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  35/10 27. August 2010

Ein Schlag ins Gesicht aller Soldaten
Zwischenruf: Die Kritik an der Einstellung des Verfahrens gegen Oberst Klein durch Oppositionspolitiker ist eine Schande
Ulrich Kronenberg

Kaum ist die Einstellung der Ermittlungen gegen Oberst Georg Klein wegen des Luftangriffs im afghanischen Kundus verkündet worden, sehen der ungediente „Verteidigungsexperte“ Omnid Nouripour (Die Grünen) und der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion Rainer Arnold „Widersprüchlichkeiten“, da man kein Disziplinarverfahren gegen Klein einleite.

Obwohl es auch bis in beratungsresistente Kreise bekannt sein sollte, daß die dauernde Wiederholung eines Irrtums diesen nicht richtiger macht, haben sie nichts eiliger zu tun, als nach der Einstellung der Vorermittlungen weiter öffentlich auf dem bewährten Offizier herumzuhacken. Nachdem sowohl Staatsanwaltschaft als auch Bundeswehr festgestellt haben, daß Oberst Klein nichts vorzuwerfen ist, geht die großinquisitorische Hexenjagd munter weiter. Es ist empörend, daß nach der öffentlichen Vorverurteilung Kleins auch nun keine Ruhe gegeben wird. Oberst Klein handelte als verantwortungsbewußter militärischer Führer und wollte das Leben seiner Kameraden schützen und das nahegelegene Feldlager vor Schaden bewahren. Dafür gebührt ihm Lob und Anerkennung – dennoch mußte er sich monatelang öffentlich vorführen lassen wie ein Schwerverbrecher. Rechtsgrundsätze, daß ein Angeklagter so lange als unschuldig anzusehen ist, bis man ihn als schuldig überführt und verurteilt, oder daß man im Zweifelsfall für den Angeklagten zu entscheiden hat, fanden in der medienwirksam veranstalteten Treibjagd keine Anwendung. In beschämender Art und Weise wurde ein Soldat durch den Kakao gezogen und öffentlich an den Pranger gestellt.

 Man möchte meinen: Nun reicht es! Deutlicher als die Urteile der verantwortlichen Gremien kann man kaum sprechen. Es ist bezeichnend, wenn man meint, weiter rühren zu müssen, anstatt die Angelegenheit als beendet zu betrachten. Eine solche Borniertheit zeugt von mangelndem Realitätssinn und parteipolitischem Geschacher niederster Sorte. Haben Arnold und der „Verteidigungsexperte“ Nouripour vergessen, welche Bundesregierung die Bundeswehr nach Afghanistan schickte? Sind die ergangenen Urteile für sie ohne Bedeutung? Dann muß man angesichts einer solchen Rechtsauffassung der Volksvertreter einmal ernsthaft hinterfragen, ob hier die richtigen Menschen am richtigen Platz sind. Diese „Ritter von der eigenen Meinung“ scheinen selbst nach ergangenen Urteilen unbelehrbar zu sein.

Jeden Tag riskieren Tausende tapferer deutscher Soldaten ihr Leben in Afghanistan und leisten einen  großartigen Dienst für Deutschland, das sie in diesen Einsatz entsendet. Sie unterziehen sich einer langen und mühseligen Vorbereitung für einen solchen Einsatz, verzichten dann vier Monate lang auf jegliches Privatleben während eines Einsatzkontigents und nehmen viele Lasten und Entbehrungen auf sich, von denen sich sogenannte „Experten“ wie der Studienabbrecher Nouripour keinen Begriff machen können – es sei denn, daß sie einmal als wohlbehütete „parlamentarische Gefechtsfeldtouristen“ zu Besuch kommen.

Von daher ist es schlichtweg eine Frechheit, wenn nach Entlarvung der ach so populistischen Entrüstungsmoral als dezidierter Irrtum immer noch weiter an dieser bereits überdrehten Schraube gedreht wird. Es reicht mit dieser selbstgerechten Überheblichkeitsmoral! Um zu verhindern, daß die militärisch Blinden weiterhin von den Farben fabulieren, empfehle ich einen nächtlichen Besuch in der OPZ in Camp Marmal in Massar e Sharif: Dort kann man lernen, unter welchen Bedingungen und in welcher Zeitspanne unsere sehr verantwortungsbewußten und umsichtigen militärischen Führer ihre Entscheidungen treffen: zum Wohle und Schutz der ihnen anbefohlenen Soldaten und zur bestmöglichen Erfüllung ihres militärischen Auftrages, denen ihnen der Souverän unseres Vaterlandes erteilt – und niemand anders.

Egal ob es jetzt gegen den freigesprochenen Oberst Klein oder Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) gehen soll: Es ist ein Schlag ins Gesicht aller deutschen Soldaten, die treu und tapfer ihren Dienst in Afghanistan tun. Und das ist eine Schande.

 

Ulrich Kronenberg ist derzeit als Militärpfarrer in der afghanischen Hauptstadt Kabul stationiert.

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