© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  35/10 27. August 2010

Gegen den Geist des Konzils
Katholische Kirche: Eine Studie zum II. Vatikanum
Werner Olles

Das Zweite Vatikanische Konzil ist heute mehr denn je zu einem absoluten Reizthema innerhalb der Römisch-Katholischen Kirche geworden. Während es in Traditionalistenkreisen verurteilt und völlig abgelehnt wird, kritisieren gemäßigt konservative Kleriker und Laien vor allem die Auswüchse, die „das Mysterium des Heiligen zunichte gemacht haben“ (Kurienkardinal Ratzinger 1998), wodurch die Kirche zu einer „Sinnagentur mit religiöser Rhetorik“ (Weihbischof Max Ziegelbauer) geworden sei. Oder sie bedauern mit dem katholischen Schriftsteller Martin Mosebach, das nachkonziliare Reformwerk habe der Liturgie alle Schönheit ausgetrieben.

Ganz zufrieden sind jedoch auch die Progressisten nicht mehr, weil sie inzwischen ihr Werk in Gefahr sehen, seit mit Benedikt XVI. ein Papst gewählt wurde, der die vorkonziliare Zeit keineswegs als schrecklichen Traditionalismus versteht und statt dessen das Ergebnis der Liturgiereform nicht als „Wiederbelebung“, sondern „Verwüstung“ ansieht.

Brunero Gherardini, emeritierter Theologieprofessor an der Päpstlichen Lateran-Universität, hat nun eine Studie vorgelegt, die in essayartiger Form eine kritische Sichtung der theologischen Kernprobleme unternimmt, die mit der Rezeption des Zweiten Vaticanum aufgeworfen sind. Dabei zählt der Autor durchaus nicht zu jenen, die das Konzil als Ganzes kritisieren. Er konstatiert jedoch Fehlinterpretationen bzw. gänzlich fehlende Interpretationen der Konzilstexte und leugnet auch nicht die Erschütterungen, die es hervorgerufen hat. Scharf wendet er sich vor allem gegen den von Progressisten immer wieder beschworenen diffusen „Geist des Konzils“.

So setzt er sich mit zentralen Themen wie dem Traditionsbegriff, der Religionsfreiheit, dem Ökumenismus, dem Wesen der Kirche und ihrer Verfassung und nicht zuletzt mit der liturgischen Reform auseinander. Sein Ziel, eine korrekte Rezeption der Texte und eine vertiefte Reflexion über die Dokumente des Zweiten Vaticanum zu fördern, „die im Lichte der gesamten doktrinellen Ausstattung der Kirche interpretiert werden“ (Benedikt XVI.), verfolgt Gherardini dabei gleichermaßen mit methodischer Strenge und einer großen Liebe zur Kirche.

Brunero Gherardini: Das Zweite Vatikanische Konzil. Ein ausstehender Diskurs. Carthusanius Verlag, Mühlheim/Mosel 2010, 239 Seiten, 17,80 Euro

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