© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  36/10 03. September 2010

Gianluca Iannone und seine „Casa Pound“ sorgen für Beachtung in italienischen Medien
Der schwarze Herbergsvater
Martin Lichtmesz

Daß nicht nur Linksautonome Häuser besetzen können, bewies im Dezember 2003 eine Gruppe entschlossener Schwarzhemden, als sie ein leerstehendes Gebäude im Stadtzentrum Roms im Sturmangriff nahm und in Anspielung auf den 1972 verstorbenen, bedeutenden US-Dichter und Parteigänger des italienischen Faschismus Ezra Pound in „Casa Pound“ umtaufte (www.casapounditalia.org).

Auch sonst fischen die römischen Militanten frech in den Gewässern des ideologischen Feindes: Das besetzte Haus dient nicht nur als Veranstaltungsort und Kommandobrücke, sondern auch als Heim für zwanzig obdachlose Familien. Dem entspricht ihr sozialrevolutionäres Programm „Gegen jeglichen Wucher!“ sowie eine bilderstürmerische Ikonographie, in der neben den faschistischen Idolen, dem Futuristen Marinetti und dem Symbolisten D’Annunzio auch Comic-Helden, linke Liedermacher oder gar Che Guevara ihren Platz haben.

Die „Poundistas“ schöpfen ihre Parolen jedoch weniger aus der esoterischen Lyrik ihres Namenspatrons, sondern eher aus den Texten der kultisch verehrten Hatecore-Band „Zetazeroalfa“. Deren verschlungenes, geflügeltes Logo (www.zetazeroalfa.org) ist im einschlägigen Milieu ebenso omnipräsent wie das Emblem der Casa Pound: eine Schildkröte mit achteckigem Panzer.

Das ist kein Zufall, denn der Kopf der Band, der 1973 in Rom geborene Gianluca Iannone, ist einer der zentralen Macher und Netzwerker der Szene (www.gianlucaiannone.it). Wenn diese eher anarchische Subkultur so etwas wie einen „Duce“ hat, dann ist es ohne Zweifel das flächendeckend tätowierte Urvieh, das optisch allerdings eher an Bud Spencer als an Benito Mussolini erinnert. Der italienische Rechtsradikalismus-Experte Nicolas Rao nannte Iannone „einen Vulkan an Ideen und Initiativen“ und einen „Kommunikations- und Marketing-Besessenen“. Als Mitglied einer Motorrad-Gang hat er den Mythos der „Squadristen“ der faschistischen Frühzeit stilprägend mit einem gehörigen Schuß antibürgerlicher Rocker-Romantik verknüpft.

Dieses Bild pflegen auch Zetazeroalfa, die weitgehend auf nostalgische Beschwörungen verzichten und sich statt dessen auf die Feier eines „nonkonformen“ Lebensgefühls konzentrieren. Fixer Programmpunkt der Konzerte ist eine genußvoll zelebrierte Massenprügelei, genannt „Cinghiamattanza“ („Gürtelausflippen“), eine Abart des Pogo-Tanzes der Punks. Ideologisch sieht sich der Ex-Skinhead und gediente Soldat Iannone ganz in der Tradition der „schwarzen Herzen“ der siebziger Jahre, als linke und rechte Extremisten sich einen terroristischen Bürgerkrieg lieferten. In Interviews zeigt er sich etwas weniger wild als eloquenter Gesprächspartner mit zum Teil überraschenden Positionierungen. Und auch als „Direttore“ der Zeitschrift Occidente bemüht er sich, geistige Impulse zu setzen, die im Sinne des Mottos „Estremocentroalto“ (Extrem-Mitte-Oben) darauf abzielen, den Rahmen der „rechten Szene“ zu sprengen.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen