© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  36/10 03. September 2010

Die Brücken in den Osten werden morsch
Vertriebene als Motor der deutsch-polnischen Verständigung auf kommunaler Basis sind ein Auslaufmodell
Bernd G. Hierholzer

Mit 17 Partnerschaftsverträgen zwischen Kreisgemeinschaften der deutschen Heimatvertriebenen und polnischen Gebietskörperschaften im früheren Ostdeutschland hätten sich Vertriebenenorganisationen „in den Verständigungsprozeß mit großem Engagement eingebracht“ und somit auf kommunaler Ebene einen wichtigen Beitrag für die deutsch-polnischen Beziehungen geleistet, konstatiert Bernd Hinz, Herausgeber des Buches „Der Prozeß der deutsch-polnischen Verständigung der letzten beiden Dekaden“, dessen Ehrenbürgerschaft von Paslek,  dem früheren Preußisch Holland in Ostpreußen, als Beleg für diese Beziehungen gelten kann. Das in deutscher und polnischer Sprache erschienene Buch enthält die Vorträge des deutsch-polnischen Kommunalpolitischen Kongresses der Arbeitsgemeinschaft Kommunalpolitische Partnerschaft (AKP) 2009.

Beachtlich ist unter anderem der Beitrag von Christoph Bergner, der die Situation der deutschen Minderheit in Oppeln dokumentiert. Der Staatssekretär kritisiert dabei die „dramatisch rückläufigen“ Zuwendungen der Bundesregierung für die Minderheit, die seit 2006 praktisch bei Null lägen. In die Tiefe geht der Beitrag von Ryszard Donitza, der die Oppelner Situation aus Sicht der Minderheit beschreibt. „Wären die Deutschen in der Politik oder in der Selbstverwaltung nicht vertreten, würden sie an Bedeutung verlieren und sogar an den Rand der Gesellschaft gedrückt“, so das Resümee des Vizepräsidenten des Oppelner Sejmik.

Die polnische Generalkonsulin Jolanta Kozlowska betrachtet die hohe Dichte an Partnerschaftsaktivitäten zwischen deutschen und polnischen Gemeinden, Städten und Schulen als „Mikrokosmos der deutsch-polnischen Beziehungen“: ein Beleg für die bisher erreichte Aussöhnung von unten. Demgegenüber sei es traurig, daß zunehmend Polonistik- und Slawistik-Forschungsinstitutionen in Deutschland geschlossen würden. Mit diesem Faktum korrespondiert das geringe Angebot von Polnisch als Fremdsprache – verglichen mit Französisch – an deutschen Schulen.

Die Publikation belegt, daß die organisierten deutschen Heimatvertriebene mit ihren Kreisgemeinschaften als ideelle Landkreise und Städte noch immer in einem hohen Maß politische Beachtung finden und den polnischen Institutionen sogar auf Augenhöhe begegnen können, wenn sie es anstreben. Auf dieser Ebene läßt sich vermutlich auch mehr erreichen, denn auf landsmannschaftlicher Ebene herrscht oft ein politischer Duktus, der zu stark die Differenzen und die Entfernung zwischen Vertriebenen und Vertreiberstaaten betont, die erreichte Annäherung aber unbeachtet läßt. Die Frage nach der tatsächliche Kraft und den wohl bei den Heimatkreisen auch unterschiedlich ausgeprägten personellen und finanziellen Möglichkeiten nach über sechzig Jahren nach der Vertreibung beantwortet das Buch indessen nicht.

Bernd Hinz (Hrsg.): Der Prozeß der deutsch-polnischen Verständigung der letzten beiden Dekaden. Arbeitsgemeinschaft Kommunalpolitische Partnerschaft, Hürth 2010, broschiert, 104 Seiten, Abbildungen, gegen eine Schutzgebühr von 5 Euro über AKP (www.akp-dialog.de) zu beziehen

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