© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  36/10 03. September 2010

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Hypermoderne Huren als neue Weltbürger

MÜNSTER. Das schwarzarbeitende „Dienstmädchen“, die „billig verfügbare Sexarbeiterin“, der Straßenhändler ohne Aufenthaltsgenehmigung: Stellenbeschreibungen, die nicht zur Bewerbung einladen. Und doch vermag die Kulturanthropologin Regina Römhild solche „Artisten“ der sozialen Grenze umzuschminken in die Avantgarde der postnationalen Gesellschaft (Zeitschrift für Volkskunde, 1/2010). Geladen mit den üblichen Affekten gegen den „Solidaritätscontainer“ Nationalstaat, der vermeintlich nur „durch die Abgrenzung zu anderen“ funktioniere, glaubt Römhild an der Peripherie der EU, etwa im bunt gemischten Belgrad der „Migranten und Minoritäten“, Labore der „sozialen Erosion“ zu entdecken. In Römhilds multikulturellem Romantizismus mutiert hier die „Sexarbeiterin“ zur „hypermodernden“ Repräsentantin des „flexiblen Citizenship“. Und denkt man sich den Zuhälter weg, agiert sie im meistens freilich nur zehn Quadratmeter engen „Möglichkeitsraum der Selbstermächtigung“, den „sozialen Risiken einer fortgeschrittenen Spätmoderne“ tapfer ins Auge schauend. Diese von Römhild derart verklärten „klandestinen Weltbürger Europas“ würden nur zu gern von ihrer „mobilen Peripherie“ unverzüglich in den „Solidaritätscontainer“ umziehen, der der saturierten Privatdozentin ihre „Selbstermächtigung“ zur akademisch geadelten Stiftung von Verblendungszusammenhängen ermöglichte.

 

Erste-Sätze

Selten hat es einen liebevollern Haß gegeben, als ihn George Grosz gegen den Spießer hegt.

Rudolf Arnheim: Zwischenrufe. Kleine Aufsätze aus den Jahren 1926–1940, Berlin 1985

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