© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  37/10 10. September 2010

„Ein völlig neues Gefühl der Freiheit“
Berlin: Der Islamkritiker René Stadtkewitz kündigt nach seinem Ausschluß aus der CDU-Fraktion an, eine neue Partei zu gründen
Marcus Schmidt

Am Ende konnte René Stadtkewitz seinem Rauswurf sogar noch etwas positives abgewinnen. „Das ist ein völlig neues Gefühl der Freiheit“, sagte er der JUNGEN FREIHEIT, nachdem ihn die CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus am Dienstag ausgeschlossen hatte. Aus der Partei war Stadtkewitz bereits im Herbst 2009 ausgetreten. Sein Vorwurf an die CDU damals: Die Partei habe ihn in seiner Auseinandersetzung mit dem Islam nicht ausreichend unterstützt.

Anlaß für den nun erfolgten Rauswurf aus der Fraktion war die von Stadtkewitz für den 2. Oktober ausgesprochene Einladung an den niederländischen Politiker und Islamkritiker Geert Wilders nach Berlin. Daraufhin hatte Fraktionschef Frank Henkel Stadtkewitz im Juli in einem offenen Brief aufgefordert, sich zu den „Zielen und Werten der Christlich Demokratischen Union“ zu bekennen (JF 31-32/10). Zudem dürfe sich Stadtkewitz an keiner Veranstaltung von Wilders beteiligen und keine „Organisation oder Partei“ unterstützen, die „in Konkurrenz zur Berliner CDU“ bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus 2011 antrete. Stadtkewitz warf der CDU im Gegenzug vor, sie habe sich von ihren eigenen Werten entfernt und ließ das in dem Brief gesetzte Ultimatum verstreichen. Die Abstimmung über einen Fraktionsausschluß wurde damit unvermeidlich.

Am Dienstag stimmte die Fraktion schließlich mit 27 Ja- von 34 abgegebenen Stimmen mehrheitlich für den Ausschluß. Die notwendige Zweidrittelmehrheit wurde damit deutlich übertroffen. Fünf Abgeordnete stimmten gegen den Ausschluß, zwei enthielten sich. Schon in der vergangenen Woche hatte der Fraktionsvorstand einstimmig den Rauswurf empfohlen.

So deutlich das Ergebnis auch ist, die CDU befand sich angesichts der Sarrazin-Debatte der vergangenen Tage in keiner beneidenswerten Situation. Die Entscheidung über den Bruch mit Stadtkewitz war in der Zeit vor der Sarrazin-Debatte gefallen. Damals konnte die CDU-Führung allerdings nicht ahnen, daß sich die Tonlage in der Diskussion um die Integrationsfähigkeit von Moslems innerhalb kürzester Zeit radikal ändern würde. Während nun ganz Deutschland über die Thesen von Thilo Sarrazin diskutiert, setzt die Partei mit Stadtkewitz dem wohl bekanntesten islamkritischen Politiker der Hauptstadt den Fraktionsstuhl vor die Tür. Gerade in dem Augenblick, in dem öffentlich über die Erfolgsaussichten einer wie auch immer gearteten „Sarrazin-Partei“ spekuliert wird (siehe Seite 5), entledigt sich die Partei eines Mitstreiters, der sich den von Sarrazin angesprochenen Themen widmet und zudem einen engen Kontakt zu der verstorbenen Jugendrichterin Kirsten Heisig pflegte, die ähnlich wie Sarrazin die Integration zu ihrem Thema gemacht hatte.

In den letzten Tagen vor der Abstimmung hatte es daher aus der CDU heraus noch Versuche gegeben, einen Kompromiß zu finden, der es der Parteiführung ermöglicht hätte, ihr Gesicht zu wahren und gleichzeitig Stadtkewitz den Weg für einen Verbleib in der Fraktion geebnet hätte. Doch bei aller Gesprächsbereitschaft hatte Stadtkewitz eins deutlich gemacht: Die Einladung an Geert Wilder werde er nicht zurücknehmen. „Das kommt nicht in Frage“, sagte er. Seine kritische Haltung zum Islam habe er sich hart erarbeitet. Vielmehr müsse die CDU auf ihn zukommen.

Die veränderte Lage spiegelte sich auch im Verlauf der Fraktionssitzung. Anders als erwartet spielten nicht inhaltliche Fragen oder die Einladung an Wilders die Hauptrolle, sondern der von der Fraktionsführung erhobene Vorwurf, Stadtkewitz wolle eine neue Partei gründen und müsse daher ausgeschlossen werden. Für Stadtkewitz ein vorgeschobenes Argument, um nicht inhaltlich mit ihm diskutieren zu müssen: „Ich habe immer gesagt, daß die Frage einer Parteigründung vom Ausgang der Abstimmung abhängt.“

CDU liegt hinter SPD, Grünen und Linkspartei

Für diesen Freitag hat Stadtkewitz, der alles andere als ein Scharfmacher ist, der drauflospoltert, nur um möglichst viel Aufmerksamkeit zu erringen, zu einer Pressekonferenz eingeladen. Dort will er die Gründung einer neuen Partei verkünden. „Im Mittelpunkt  wird der Freiheitsbegriff stehen“, sagte er. Die Freiheit müsse in Deutschland teilweise erst wieder erkämpft werden.

Spätestens bei der  Wahl zum Abgeordnetenhaus im Herbst 2011 wird die CDU dann wissen, ob es wirklich gut und richtig war, sich von Stadtkewitz zu trennen. In den Umfragen liegt die Partei in der Hauptstadt derzeit hinter SPD, Grünen und Linkspartei an vierter Stelle.

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