© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  37/10 10. September 2010

Rechte Alternativen in schlechter Verfassung
Großbritannien: Die euroskeptische UKIP sucht einen neuen Parteichef / Prekäre Finanzlage und Widerstand gegen BNP-Chef Nick Griffin
Derek Turner

Während David Camerons Konservative Partei mit den Widrigkeiten einer Koalition mit den Liberaldemokraten (LibDems) zu kämpfen hat, die bestenfalls eine Vernunftehe ist, bietet der Rest des britischen rechtskonservativen Lagers derzeit keine überzeugenden Alternativen. Am 17. August gab die United Kingdom Independence Party (UKIP) den Rücktritt ihres Parteivorsitzenden nach nur einem Jahr im Amt bekannt. In seiner Rücktrittserklärung bekannte der ehemalige Tory-Abgeordnete Lord Pearson of Rannoch (JF 1/10): „Mir ist klargeworden, daß mir die Parteipolitik nicht besonders liegt und ich auch kein Vergnügen daran finde. Außerdem bin ich 68 und habe das Bedürfnis, mir mehr Zeit für meine breiteren Interessen zu nehmen. Dazu zählen die Pflege und Behandlung von Menschen mit geistigen Behinderungen, die Lehrerausbildung, die Bedrohung durch den Islamismus und das Verhältnis zwischen Gut und Böse“, so das Mitglied des House of Lords. „Die UKIP verdient einen besseren Politiker als mich an ihrer Spitze.“

Der Versicherungsmillionär Lord Pearson erhielt seinen Adelstitel 1990. Er war Vorsitzender der EU-kritischen Parteiorganisation Conservatives Against a Federal Europe und wurde 2004 aus der Partei ausgeschlossen, nachdem er eine Wahlempfehlung für die UKIP ausgesprochen hatte. Daß er 2007 gemeinsam mit einem weiteren Oberhausabgeordneten in die UKIP eintrat, die damit erstmals im Oberhaus vertreten war, kam also wenig überraschend. Er verhalf der euroskeptischen Partei nicht nur zu einem Parlamentssitz, sondern unterstützte sie auch durch großzügige Spenden. Ihren Vorsitz übernahm er dennoch äußerst widerwillig und nur auf Drängen des scheidenden Parteichefs Nigel Farage, der seit 2009 Chef der Rechtsfraktion Europa der Freiheit und der Demokratie (EFD) im EU-Parlament ist (JF 27/09).

Lord Pearson ist ein intelligenter und sympathischer Mann, aber er mag durchaus recht gehabt haben mit seinem Eingeständnis, daß ihm „die Parteipolitik nicht besonders liegt“. Ohne Rücksprache mit der eigenen Partei zu halten, stellte er dem Tory-Fraktionschef im Oberhaus in Aussicht, die UKIP würde sich im Gegenzug für das Versprechen einer Volksabstimmung über die britische EU-Mitgliedschaft selbst auflösen. Er gab zu, das UKIP-Wahlprogramm nicht gelesen zu haben, und erwiderte auf Nachfragen, er hätte es nur dann gelesen, wenn darin etwas „von großer Bedeutung“ gestanden hätte.

Nicht im Unterhaus, nur im Europaparlament vertreten

Besondere Mühe verwendete er darauf, die Einladungen an den niederländischen Parlamentarier Geert Wilders zu arrangieren, um dessen islamkritischen Film „Fitna“ im Oberhaus vorzuführen (JF 9/09). Obwohl die UKIP bei den Parlamentswahlen im Mai ihr Ergebnis landesweit um fast 50 Prozent gegenüber den vorherigen Wahlen verbesserte, konnte sie wegen des Mehrheitswahlrechtes keinen einzigen Sitz in Westminster erringen. Bei der Europawahl 2009 – hier gilt ein regionales Verhältniswahlrecht – wurde die UKIP mit 16,9 Prozent zweitstärkste Partei nach den Tories (27 Prozent).

Nachdem die UKIP am ersten September-Wochenende ihren Parteitag abhielt, soll in naher Zukunft entschieden werden, wer Lord Pearsons Nachfolge antritt. Darum beworben haben sich bislang die EU-Parlamentarier Gerard Batten und David Campbell Bannerman sowie der angesehene Ökonom und frühere Regierungsberater Tim Congdon. Im Gespräch sind auch Nigel Farage, der EU-Parlamentarier Godfrey Bloom und der Ex-Tory Lord Monckton.

Sollte Farage sich erneut zu einer Kandidatur entschließen, dürfte der Sieg ihm ziemlich sicher sein. Andernfalls wäre Campbell Bannerman der Favorit. Der 50jährige Verfasser des UKIP-Wahlprogrammms genießt breite Zustimmung in der notorisch zerstrittenen Partei. 2006 belegte er beim Rennen um den Vorsitz den dritten Platz.

Zerstritten ist auch die British National Party (BNP) nach ihrer Wahlschlappe im Mai und den hartnäckigen Gerüchten über den hohen Schuldenstand der Partei. Fest steht, daß die BNP dem US-Großkonzern Unilever Entschädigung zahlen mußte, weil sie dessen Produkte unrechtmäßig in einem Wahlwerbespot verwendet hatte. Auch der Rechtsstreit mit der Gleichstellungs- und Menschenrechtskommission um die Parteisatzung, insbesondere die ethnischen Voraussetzungen für eine BNP-Mitgliedschaft, sowie verschiedene Klagen ehemaliger Angestellter zehren an den Reserven. Wie schlimm es tatsächlich um die Kassenlage der rechten BNP bestellt ist, ist momentan schwer einzuschätzen, da sie ihren Finanzbericht nicht fristgerecht vorgelegt hat.

Parteichef Nick Griffin – seit 2009 EU-Abgeordneter – hat seinen Rücktritt für 2013 angekündigt. Manchen seiner Parteifreunde ist das nicht früh genug. Sein Vize Simon Darby trat im August zurück, und der Wahlkampfkoordinator Eddy Butler, der Griffin den Parteivorsitz streitig machte, bei der Abstimmung aber klar unterlag, hat inzwischen mit anderen Unzufriedenen einen parteiinternen Arbeitskreis namens „BNP Reform Group“ gegründet, der für mehr Demokratie und Transparenz kämpfen will – und für einen politisch weniger umstrittenen Parteichef. Allerdings werden sie es innerhalb dieser straff zentralisierten Partei schwer haben, sich durchzusetzen. Deswegen ist die Wahrscheinlichkeit hoch, daß sich demnächst eine ganz neue Partei von der BNP abspalten wird.

Bis auf weiteres jedenfalls sind daher die Tories die einzige ernstzunehmende politische Kraft, die die Anliegen konservativer Briten wahrzunehmen vermag. Wahrlich ein beunruhigender Gedanke.

 

Derek Turner ist Publizist und seit 2007 Herausgeber der britischen Zeitschrift „Quarterly Review“ (www.quarterly-review.org).

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