© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  37/10 10. September 2010

Bayern und Tiroler Hand in Hand
Europa: Linksnationalisten und Regionalisten aus 18 Ländern arbeiten trotz Differenzen zusammen / Im EU-Parlament ein Anhängsel der Grünen-Fraktion
Volker König

Eine sonst wenig beachtete Kleinpartei machte vorige Woche bundesweit von sich reden: der Südschleswigsche Wählerverband (SSW). Gemeinsam mit den Grünen hatte der SSW (er sieht sich vor allem als Interessenvertreter der dänischen Minderheit) gegen das Landtagswahlrecht in Schleswig-Holstein geklagt und vorige Woche vom Landesverfassungsgericht recht bekommen (JF 36/10). Konkret ging es darum, daß durch Überhangmandate der Wählerwille verzerrt würde. Schwarz-Gelb hatte bei der Landtagswahl 2009 so eine hauchdünne Mehrheit erhalten. Spätestens 2012 muß es Neuwahlen geben – und da könnte der SSW zum Zünglein an der Waage werden. Doch wo ist der SSW politisch angesiedelt?

Im Kieler Landesparlament ist er Mitte-links orientiert, auf europäischer Ebene paßt dieses Etikett nur bedingt. Denn seit diesem Jahr ist der SSW Vollmitglied in der Europäischen Freien Allianz (EFA), einer Europapartei, der auch die konservative Bayernpartei (BP) angehört. Während die BP ähnlich wie die CSU fordert, daß „jeder, der sich bei uns dauerhaft niederlassen will, unsere Kultur, unsere Sprache und unser Brauchtum respektiert“, warnt der SSW im Stil der Grünen, „steigende Flüchtlingszahlen dürfen nicht zu einem Mangel an Menschlichkeit, demokratischer Kultur und Toleranz gegenüber Ausländerinnen und Ausländern führen“.

Partner aus Deutschland hatte die 1981 gegründete EFA lange Zeit nicht. Erst 2008 wurde die Bayernpartei als Vollmitglied aufgenommen. Ein Jahr später folgte die ostfriesische Regionalgruppierung „Die Friesen“, die kürzlich mit ihrer Klage scheiterte, als Partei einer nationalen Minderheit wie der SSW von der Fünf-Prozent-Hürde befreit zu werden. Für die Dänen in Schleswig ist das ein selbstverständliches Privileg. Ihr 1948 gegründeter SSW stellt daher regelmäßig Abgeordnete im Kieler Landtag. 2009 errang der SSW mit 4,3 Prozent vier Mandate. Da die Partei seit einer Wahlrechtsänderung auch im Landesteil Holstein wählbar ist, wo fast keine Dänen leben, wird mitunter angezweifelt, ob der SSW überhaupt noch den Status einer Minderheitenpartei erfüllt. Die Wendische Volkspartei (seit Juli Lausitzer Allianz) als Sorben-Partei bekam 2009 Beobachterstatus in der EFA.

Die EFA ist ein äußert heterogenes Bündnis, das die unterschiedlichsten Parteien vereint, die aber eines gemeinsam haben: den Wunsch nach weitgehender Autonomie und die Schaffung eines föderalistischen „Europas der Regionen“. Einzelne Mitglieder wie die Bayernpartei, die linksnationale ERC aus Katalonien oder die Schottische Nationalpartei (SNP) verlangen sogar offen die Eigenstaatlichkeit oder Unabhängigkeit ihrer Länder. Mit der politischen Rechten haben die EFA-Mitglieder vor allem das Streben nach Erhalt der kulturellen Identität gemeinsam, ansonsten vertreten sie überwiegend linke und ökologische Positionen, weshalb die sechs EFA-Abgeordneten mit den Grünen im Europaparlament eine Fraktionsgemeinschaft gebildet haben.

Die mitgliederstärksten EFA-Parteien kommen aus Großbritannien. Neben der linksnationalen SNP des schottischen Regierungschefs Alex Salmond (JF 17/10) gehören auch die walisische Plaid Cymru und die Mebyon Kernow – die Partei der südwestenglischen Grafschaft Cornwall – dazu. Das Kornische, eine keltische Sprache, ist von London als Minderheitensprache anerkannt. Die erfolgreiche Lega Nord von Umberto Bossi, die das Endziel eines unabhängigen Padaniens (Norditalien) nicht aufgegeben hat, gehörte bis 1996 zur EFA. Die Süd-Tiroler Freiheit, die für die Wiedervereinigung ganz Tirols eintritt (JF 38/09), hat inzwischen den Platz der Union für Südtirol eingenommen, die 2008 ausgeschlossen wurde.

Die größte baskische Nationalpartei, die christdemokratische EAJ/PNV, trat 2004 aus der EFA aus, im EU-Parlament gehört sie nun zur Liberalen-Fraktion (ALDE). Die sozialdemokratische Eusko Alkartasuna (EA) gehört weiter zur EFA. Aus Lettland stieß die russische Minderheitenpartei PCTVL zur EFA, die mit der Sowjetnostalgikerin Tatjana Ždanoka eine Europaparlamentarierin stellt. In anderen Ländern fristen die EFA-Mitglieder hingegen eher ein Schattendasein, so in Frankreich, wo neben der elsässischen Partei „Unser Land“ sechs weitere Regionalisten von der Bretagne bis Korsika mit im Boot sind.

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