© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  37/10 10. September 2010

WIRTSCHAFT
Im Teufelskreis
Jens Jessen

Es gibt derzeit noch keine Inflationssorgen. Fast alle Ökonomen raten deshalb der Europäischen Zentralbank (EZB), an dem Leitzins von einem Prozent festzuhalten. Auch die Fortführung der lockeren Geldpolitik billigen sie, damit die Banken zu dem Leitzins auf Notstandsniveau soviel Geld leihen können, wie sie wollen. EZB-Präsident Jean-Claude Trichet sieht den Aufschwung der Wirtschaft in vollem Gang. Bundesbankchef Axel Weber ließ sich sogar dazu verleiten, von einem selbsttragenden Aufschwung zu reden. Viele Ökonomen trauen dem Aufschwung nicht, die Krise sei noch nicht vorbei. Da ist viel Wahres dran, denn die Überschuldung der Banken durch die gigantische Kreditexpansion ist nicht getilgt. 2007 brach der Kapitalnotstand aus. Die Liquidität, die es den Finanzakteuren erlaubte, jederzeit Kredit zu günstigen Konditionen zu erhalten, verschwand ohne Vorwarnung.

Die Selbstreinigungskraft der Natur als offenbar größter Helfer bei der Eindämmung der Folgen der Ölpest im Golf von Mexiko steht der Wirtschaft nicht zur Verfügung. Schuldenvernichtende Bakterien sind noch nicht gezüchtet worden. Von 2001 bis 2007 hat die schuldenfinanzierte Nachfrage der US-Mittelklasse die Weltkonjunktur getragen. Seit zwei Jahren können sie aber nicht mehr wie gewohnt neue Schulden machen. Die eingebrochene Konsumnachfrage in den USA hat zur Rezession geführt. Nur eine Stärkung der unteren Einkommensgruppen führt zu einer dauerhaften Erhöhung der Konsumnachfrage. Die Lohnzurückhaltung in den vergangenen Jahren hat in Deutschland zwar zu einem Zwischenaufschwung durch steigende Exporte geführt. Eine nachhaltige Gesundung ist das allerdings nicht. Den Gürtel enger zu schnallen – das ist kein Instrument der ersten Wahl.

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