© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  37/10 10. September 2010

CD: Allerseelen
Hypnotisch
Nils Wegner

Das Projekt „Allerseelen“ des Oberösterreichers Gerhard Hallstatt alias Kadmon macht schon seit Ende der 1980er mit einer unverwechselbaren Melange aus elektronischen und folkloristischen Elementen von sich reden. Dabei gelang es Gerhard – die Anrede, die sich für ihn eingebürgert hat – jedoch, jedem Album einen speziellen Klang zu verleihen, der stets mit den konzeptuellen Themen korrespondierte. Kein Wunder, daß man ihm inzwischen etliche musikalische Etiketten angehängt hat, von „apokalyptischem Industrial“ oder „folklore magnetico“ bis hin zu „Kraut-Pop“. Am zutreffendsten dürfte aber die Bezeichnung „technosophische Tonkunst“ sein, denn die Musik von „Allerseelen“ lebt wesentlich von sich stetig wiederholenden Motiven, sogenannten Loops, vermischt mit Perkussion und gelegentlichem Einsatz realer Instrumente.

Gerade diesen, insbesondere Violinen, wird auf dem neuen Album „Rauhe Schale“ ungewöhnlich viel Raum geboten. Da ist es durchaus zu verschmerzen, daß knapp ein Drittel der Lieder bereits in anderen Versionen auf früheren Veröffentlichungen erschienen ist. Der Klang ist jedenfalls ein vollkommen neuer und abermals dem Thema angemessen, das das Album zusammenhält.

Titel und Aufmachung des Albums, mit mystischen Fotos alpiner Regionen und einem Hölderlin-Zitat zum Geleit, deuten es an: Es geht um das Dasein als Reisender, darum, allein und ganz auf sich zurückgeworfen zu sein. Tatsächlich waren verschiedene Reisen, vornehmlich durch Südosteuropa, die Inspiration für das Album. So sind die Lieder zumeist ruhig und hypnotisch gehalten, geradezu eine Einladung zu Rückzug und Selbstreflexion.

Zu Anfang scheinen sie die Stimmung einer beengenden Starre zu beschreiben, aus der man schließlich aufbricht, weil man sie nicht mehr erträgt. Diese Zäsur stellt das aufbegehrende „Sturmlied“ dar, eine Gedichtvertonung von Ricarda Huch, in der es treffend heißt: „Nur kämpfend, und unterliege ich auch, ist Leben Glück!“ Weiter geht es mit südländischen Klängen, bis das Lied „Rauhnachtkamerad“ mit leisen Geigentönen beginnt, um dann in eine an düsteren Metal erinnernde Komposition umzuschlagen. Trotzdem paßt sich das Stück mit klagender Frauenstimme im Hintergrund, Gitarrensoli und Originaltext von Herybert Menzel hervorragend in das Gesamtgefüge des Albums ein.

Von da ab schlagen „Allerseelen“ wieder ruhigere Töne an. Stücke wie „Die Berge werden leer sein“ oder „Herbstlied“ sind Elegien der Abgeschiedenheit. Gleichzeitig weht mit ihnen ein leichter Hauch des Mystisch-Okkulten durch dieses Album. Schließlich scheint der imaginäre Wanderer mit „Dein Herz schlägt aufwärts“ seine Erfüllung erlangt zu haben. Allerdings nur, um dann wieder zu seinem Ausgangspunkt, in sein „Niemandsland“, zurückzukehren – „Die Sehnsucht aber bleibt“.

Man kann froh sein, daß Gerhard von den harten Dissonanzen seiner Anfangszeit zu ohrenfreundlicheren Klängen übergegangen ist. „Harte Schale“ jedenfalls vermittelt auch in seinen lebhaften Liedern das Gefühl, in ein leise knisterndes Kaminfeuer zu blicken. Ein sehr sublimer Eindruck von Wärme, die den Zuhörer ergreift, ohne dabei so aufdringlich zu sein, ihn in seiner Nachdenklichkeit zu stören. Definitiv ein Album für ruhige Herbstabende.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen