© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  37/10 10. September 2010

Gewirr von Ursache und Wirkung
Der Schwede Jan Cederquist ist dem Zufall auf der Spur und schließt auch ein Wechselspiel mit einem übergeordneten „Oben“ nicht aus
Karl-Heinz Schuck

Wer hätte es nicht schon erlebt? Dinge geschehen, die man einerseits als einen Zufall, andererseits aber auch als von unsichtbarer Hand in unserem Sinne gelenkt ansehen kann. Dinge wie: Jemand segelt ohne feste Routenplanung vor Stockholm und denkt an seine erste Segelyacht, beim abendlichen Ankern hat man seine alte Yacht „zufällig“ als Liegeplatznachbar – zwischen 24.000 Schären und 200.000 anderen Booten vor Schwedens Hauptstadt. Oder: Ein Zeitgenosse schickt Fotos und einen Artikel zu einem Verlag. Der Artikel wird nicht veröffentlicht und man fordert die Fotos zurück. Jahre später hat man die Fotos „zufällig“ wieder in Händen; drei Tage später meldet sich der Verlag: Man wolle den Artikel nun doch drucken und ob es die Fotos noch gäbe?

Der 2009 verstorbene schwedische Autor Jan Cederquist hat diese und 29 weitere solcher Erlebnisse in seinem Buch „Die Magie des Zufalls“ gesammelt; teilweise entstammen sie eigenem Erleben, teilweise haben sie Freunde von ihm berichtet. Er glaubte dabei nicht mehr an Zufälle und kam so zur vom Schweizer Psychologen Carl Gustav Jung (1875–1961) entwickelten Theorie der Synchronizität. Ereignisse sind demnach nicht über Kausalbeziehungen verknüpft, sondern folgen als Manifestation einer vorhergehenden Idee oder Emotion.

Für Cederquist gibt es ebenfalls keine simplen Kausalbeziehungen, da es oft Wirkung ohne erkennbare Ursache gibt. Jedes Ereignis habe meist mehrere Gründe, für die es wiederum mehrere Gründe gäbe – somit entsteht ein Gewirr von Ursache und Wirkung ohne Anfangs- und Endpunkte, in dem alles auf alles Einfluß nimmt und voneinander abhängt.

Sein persönliches Interesse an Philosophie und Spiritualität zeigt sich in seinen Betrachtungen zur Evolution: Es muß seiner Meinung nach Absicht dahinterstehen, daß Atome sich zu einem so komplexen Gebilde wie einem Menschen zusammengefügt haben. Für ihn ist die Wahrscheinlichkeit, daß sich aus toter Materie über einen Blitzschlag Leben entwickelt und später Philosophen hervorbringt, zu gering; Charles Darwins Theorie kann also nur ein Teil der Lehre sein.

Wie konnte Materie lebendig werden und wie konnte sie ein lenkendes Bewußtsein erschaffen? Vielleicht ist der Mensch kein Körper mit einem Bewußtsein, sondern ein Bewußtsein, das sich einen Körper ausgebildet hat? Gibt es also eine zusätzliche Sphäre von Energie und Information (von ihm als „Feld“ bezeichnet), eine Art kosmische Intelligenz – die man auch Gott nennen kann? Rührt von daher die Tendenz des Menschen, an höhere Instanzen zu glauben? Sind Erleuchtungen und Visionen eine direkte Verbindung zu dieser übergeordneten Ebene? Fragen, auf die er natürlich keine überprüfbare Antwort hat. Die Synchronizität sieht er als unbewußtes Wechselspiel mit einem solchen übergeordneten „Oben“, nicht als mathematisch-statistisch nachvollziehbares Vorkommnis. Für die Zukunft hofft er auf ein Ende der Differenzen zwischen und eine neue Synthese aus Religion und Wissenschaft.

Das Werk liest sich flüssig und ist in angenehme 48 kleine Kapitel gegliedert. Es ist interessant, sich mit Cederquists streitbaren philosophischen Gedankengängen zu beschäftigen. Manches erscheint sehr spekulativ, mit dem Wunsch „es möge so sein“ als Vater des Gedankens – aber vielleicht macht ja gerade das den Reiz der Theorie der Synchronizitäten aus. Zur Unterstützung des eigenen Gedankengebäudes weitere Theorien und Experimente anzuführen, ist vollkommen legitim; jedoch sollte man dazu nicht auf äußerst umstrittene zurückgreifen: Das „Projekt globales Bewußtsein“, demzufolge es bei das Bewußtsein vieler Menschen einnehmenden Ereignissen aufgrund der Verbindung von Geist und Materie meßbare Ausschläge auf geeigneten Instrumenten gibt, wird wegen seiner Verfahren und Versuchsparameter kritisiert!

Der britische Biologe Rupert Sheldrake an der Universität Cambridge, der Bewußtsein als Energiefeld und die Energiefelder aller Menschen als formgebend in der Natur ansieht, wird weitgehend von der Wissenschaft ignoriert – obwohl einige Quantenphysiker ernsthafte Untersuchungen zu seiner Theorie fordern. In diesem Wissenschaftszweig hat man festgestellt, daß sich Elementarteilchen unabhängig von der Entfernung zueinander synchron verhalten können – es besteht eine eventuelle Verbindung über Raum und Zeit hinweg. Diese von Cederquist ebenfalls erwähnte Quantenverschränkung fügt sich nachvollziehbar und logisch in seine Theorien ein.

Jan Cederquist: Die Magie des Zufalls. Wie Synchronizität unser Leben bestimmt. Kailash Verlag, München 2010, gebunden, 285 Seiten, 17,95 Euro

Foto: Bananenschale lädt zum Ausrutschen ein: Manifestation einer vorhergehenden Idee oder Emotion

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