© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  37/10 10. September 2010

Meldungen

Kaiserreich unter Druck der Globalisierung

KÖLN. Cornelius Torp, mit einer vielbeachteten Analyse der „ersten Globalisierung“ nach 1870 sowie mit einer brillanten Max-Weber-Deutung hervorgetreten, betreibt gern das Kerngeschäft des Historikers: die Revision. In einer Studie für das Jahrbuch für Universalgeschichte (Saeculum,1/2010) nimmt er nun einen Lieblingstopos der bundesdeutschen, „auf den nationalstaatlichen Rahmen fixierten Kaiserreichshistoriographie“ der Firma Wehler & Winkler aufs Korn: das angebliche „Bündnis von Roggen und Eisen“. Nach hergebrachter Lesart hätte die schutzzöllnerische Koalition von „Junkern und Schlotbaronen“ die nachbismarckische Reichspolitik in eine Sackgasse geführt, aus der die wilhelminischen Eliten 1914 nur noch durch einen Krieg herauszukommen glaubten. Torp verweist dagegen auf die Fragilität dieser Koalition, deren historische Bedeutung man entsprechend niedriger ansetzen müsse. Viel entscheidender für das Schicksal des Kaiserreiches sei die Veränderung der globalen ökonomischen Rahmenbedingungen gewesen. Nicht der Klassenkampf von oben, sondern die Notwendigkeit, der großen Masse von „Globalisierungsopfern staatlichen Schutz angedeihen zu lassen“, bestimmte die protektionistische Berliner Politik „unter dem Druck des internationalen Wettbewerbs“.   

 

Kaiser Friedrich II.: Schreddern von Mythen

HEIDELBERG. Das Bild des Stauferkaisers Friedrich gewinnt neue Farbe. Gerade hat der Berliner Kulturhistoriker Olaf B. Rader bei C.H. Beck einen neuen biographischen Anlauf genommen (Friedrich II. Der Sizilianer auf dem Kaiserthron), verspricht epoc, das Geschichtsmagazin von Spektrum der Wissenschaft (5/2010), etwas marktschreierisch, den Friedrich-Kult, die von „nationalistischen“ Künstlern und Gelehrten genährte Legende vom „idealen Herrscher“ zu entzaubern. Der Friedrich-Biograph Wolfgang Stürner vermag indes wenig Revolutionäres dazu mitzuteilen, und der forsche Entmythologisierer Rader destruiert weiter fleißig das ohnehin schon überholte Bild vom multikulturellen, modern-aufgeklärten, gelehrten Alleskönner, aber viel bleibt beim „Schreddern von Mythen“ um den Stupor Mundi noch Verheißung. So erwartet Rader erst von der vor zwanzig Jahren begonnenen Neuedition der 2.700 Dokumente aus der Regierungszeit des Kaisers eine „nachhaltige Belebung der Forschung“. Von dem staatlich finanzierten Großprojekt liegen bislang drei Bände vor, ein Ende ist nicht absehbar.

 

Erste Sätze

Ich hatte Glück.

Peter Glotz: Die Vertreibung. Böhmen als Lehrstück, München 2003

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