© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  38/10 17. September 2010

René Stadtkewitz nutzt die Gunst der Stunde
Berlin: Inmitten der Debatte um die Thesen von Thilo Sarrazin gründet der aus der CDU-Fraktion ausgeschlossene Islamkritiker eine neue Partei
Marcus Schmidt

Einen besseren Zeitpunkt hätte René Stadtkewitz nicht erwischen können. Inmitten der aufgebrachten Diskussion über die Thesen von Thilo Sarrazin zur Integrationspolitik im allgemeinen und zu moslemischen Zuwanderern im besondern hat der als Islamkritiker bekannt gewordene ehemalige CDU-Politiker die Gründung einer neuen Partei angekündigt. Sie soll den Namen „Die Freiheit. Partei für mehr Freiheit und Demokratie“ tragen und sich für eine stärkere Bürgerbeteiligung einsetzen. Zudem werde sie die Themen Zuwanderung und Integration in den Vordergrund stellen, kündigte Stadtkewitz an.

Der Streit um den Kurs der Union und die Spekulationen über die Erfolgsaussichten einer Partei rechts von CDU/CSU taten ein übriges, um am vergangenen Freitag für ein beeindruckendes Medieninteresse zu sorgen. Dicht an dicht drängten sich Fernsehteams und Journalisten in einem Raum eines italienischen Restaurants unweit des Berliner Abgeordnetenhauses. Stadtkewitz, der mit seinen Mitstreitern Marc Doll und Aaron Koenig vor die Presse trat, dürfte als erfahrener Politiker das Interesse der Medien richtig eingeschätzt haben. Dieses galt vermutlich eher den beschriebenen äußeren Umständen als seiner Person. Doch das kann Stadtkewitz, der erst am Dienstag vergangener Woche aus der CDU-Fraktion ausgeschlossen worden war (JF 37/10), weil er den niederländischen Islamkritiker Geert Wilders nach Berlin eingeladen hat, egal sein. Mehr Aufmerksamkeit hätte er sich für sein Parteiprojekt nicht wünschen können.  Dafür nahm Stadtkewitz auch in Kauf, daß bei der Vorstellung programmatisch vieles noch im vagen blieb.

Anlaß für die Neugründung sei die zunehmende Entfremdung der Politik von den Interessen des Volkes, sagte Stadtkewitz. Diese habe zu einer wachsenden Wahlenthaltung vieler Bürger geführt: „Viele Menschen fühlen sich von den etablierten Parteien nicht mehr vertreten.“ Schnell kam Stadtkewitz auch auf die von ihm als Hetzjagd bezeichnete Kritik an Thilo Sarrazin zu sprechen. Seine neue Partei, die er als „bürgerlich-liberal“ charakterisierte, werde sich vor diesem Hintergrund  für das „sanktionsfreie offene Wort“ in Deutschland einsetzen. Ein Schwerpunkt werde zudem in der Auseinandersetzung mit dem politischen Islam und der Integrationsverweigerung von Einwanderern liegen.

„Die Partei ist offen für jeden Demokraten, der mit beiden Beinen auf dem Boden des Grundgesetzes steht“, machte Stadtkewitz deutlich. Verschlossen sei die Gruppierung hingegen für Extremisten von links und von rechts. Aaron Koenig, der bereits dem Vorstand der Piratenpartei angehörte, ging noch einen Schritt weiter: „Wir stehen nicht rechts von der CDU“. Vielmehr müsse die neue Partei als „klassisch liberal“ verstanden werden, versuchte er die Neugründung aus der Schußlinie zu nehmen.

Gleichzeitig grenzte er sie gegenüber bereits bestehenden rechten Parteien wie der Pro-Bewegung oder den Republikanern ab. „Von uns werden sie nie hören ‘Abendland in Christenhand’“, sagte Koenig in Anspielung auf eine von der FPÖ entlehnte Wahlparole von Pro NRW. Die Frage der Journalisten, wieso er gerade mit dieser Position den Weg zu Stadtkewitz gefunden hat, der durch seinen Protest gegen den Bau einer Moschee in Berlin-Heinersdorf bekannt geworden war, konnten beide nicht überzeugend erklären. Doll dagegen, der in der Berliner CDU eine Arbeitsgruppe für innere Sicherheit geleitet hat und auf der Veranstaltung seinen Austritt aus der Union erklärte, bezog klassisch konservative Positionen in der inneren Sicherheit.

Inmitten der Diskussion um die Thesen von Thilo Sarrazin wäre es ein Wunder gewesen, hätte sich Stadtkewitz nicht zu dem SPD-Politiker äußern müssen. Nein, an einen Beitritt von Sarrazin glaube er nicht, sagte der 45 Jahre alte Politiker auf eine entsprechende Frage. „Wir müssen akzeptieren, daß Thilo Sarrazin seine politische Karriere für beendet erklärt hat.“ Dennoch werde man Vorschläge aus seinem Buch „Deutschland schafft sich ab“ aufgreifen und das Gespräch mit Sarrazin suchen.

Die eigentliche Parteigründung und die Ausarbeitung eines Programms sollen noch in diesem Jahr erfolgen. Ziel sei es, bei den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus im Herbst 2011 und später auch deutschlandweit anzutreten. „Wir werden die Fünf-Prozent-Hürde knacken“, gab sich Stadtkewitz überzeugt.

Weitere Informationen zur neuen Partei im Internet unter www.diefreiheit.org

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