© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  38/10 17. September 2010

Symbol der Freiheit
Politische Zeichenlehre CVII: Jakobinermütze
Karlheinz Weissmann

Bei den großen Demonstrationen in Frankreich zugunsten des Verbleibs der Zigeuner, die ausgewiesen werden sollen, zeigen sich viele Teilnehmer mit der Jakobiner- beziehungsweise „Phrygische Mütze“. Gemeinhin wird als Ursprung dieses politischen Symbols der 15. April 1792 angenommen, als ehemalige Galeerensträflinge aus Marseille in Paris einzogen und dabei entsprechende Kopfbedeckungen als Sinnbild ihrer neugewonnen Freiheit trugen. Allerdings ist der Gebrauch schon früher belegt: möglicherweise wurde sie von den Radikalen der Französischen Revolution bereits seit 1790, spätestens aber seit 1791 von den Pariser Sansculotten verwendet.

Sicher geht die Phrygische Mütze – so bezeichnet nach einem antiken Seefahrervolk – als Freiheitssymbol auf die Antike zurück. Am einflußreichsten für die moderne Emblematik war wohl die Münze des Caesarmörder Brutus, die die Phrygische Mütze zwischen zwei Dolchen zeigte. In einem handgreiflicheren Sinn findet man den Vorstellungszusammenhang in einem Bericht über die Reaktion des römischen Volkes auf den Tod Neros, der dadurch gefeiert wurde, daß man mit der Phrygischen Mütze auf dem Kopf durch die Stadt lief. Schon für das 3. Jahrhundert vor Christus ist der Brauch nachgewiesen, befreiten Sklaven eine Phrygische Mütze aufzusetzen. Es gibt außerdem verschiedene allegorische Darstellungen der Libertas mit der Phrygische Mütze in der Hand.

Einiges spricht dafür, daß der Zusammenhang von Phrygischer Mütze und Freiheit schon den Griechen bekannt war. In ihrer Mythologie trugen sie bezeichnenderweise die Amazonen, weil sie ihre Freiheit der Knechtschaft in einer Ehe vorzogen. Nach der eingehenden Untersuchung von Dieter Metzler kam es im 8. Jahrhundert vor Christus zu einem Aufstand in Sparta, der von den Messeniern, aber auch unehelich Geborenen getragen wurde, denen man das Tragen der Phrygischen Mütze als Rangzeichen der Freien verweigert hatte. Den Beginn der Erhebung markierten die Rebellen durch die Aufrichtung einer Stange mit einer Mütze, auch das eine folgenreiche Symbolhandlung.

Die Wiederentdeckung der Phrygischen Mütze im Sinne des pileus libertatis geht wahrscheinlich auf die Renaissance zurück. Heinrich II. von Frankreich verwendete sie etwa, als er die protestantischen Reichsfürsten aufstacheln wollte, mit seiner Hilfe die „teutsche Libertät“ gegen den Kaiser zu erstreiten. Wenig später trat ein „Freiheitshut“, dann deutlicher erkennbar eine „Freiheitsmütze“, bei den niederländischen Geusen auf, die für die Unabhängigkeit von Spanien kämpften. Mit der Thronbesteigung des Generalstatthalters der Niederlande Wilhelm von Oranien (Wilhelm III.) in England wurde das Symbol auch auf der Insel populär und fand sich bevorzugt in der Hand der Britannia, nicht nur um die Freiheit in der Verfassung, sondern auch das Prinzip der „Freiheit der Meere“ zu symbolisieren.

Von hier lag die Übernahme durch die aufständischen Kolonien in Nord­amerika nahe, wo die Phrygische Mütze auch auf der Spitze einer aufgerichteten Stange oder eines Freiheitsbaums angebracht wurde. Dagegen erhielt der bonnet rouge in der Französischen Revolution seine eigentliche Aussagekraft dadurch, daß die Radikalen ihn tatsächlich trugen beziehungsweise – wie im Fall von König Ludwig XVI. – sein Tragen erzwangen, um das Prinzip der allgemeinen Egalität sinnfällig zu machen. Die Phrygische Mütze wurde so in hohem Maße Parteisymbol der Jakobiner, was die verbreitete Bezeichnung als „Jakobinermütze“ erklärt. Gleichzeitig wuchs damit der Vorbehalt gegenüber einem bis ins 18. Jahrhundert allgemein anerkannten und verbreiteten Emblem. Für die politische Führung Englands etwa war das demonstrative Zeigen der Phrygischen Mütze durch die „Chartisten“ eine solche Provokation, daß deren eigentlich gemäßigte Forderungen in den Ruch revolutionärer Absichten gerieten und die Bewegung mit großer Brutalität niedergeworfen wurde.

Trotzdem hat sich die Phrygische Mütze als Teil der politischen Symbolik bis heute erhalten. Das gilt nicht nur für Frankreich, wo die Marianne regelmäßig mit der Phrygischen Mütze dargestellt wird, oder die USA, wo der Senat, aber auch einige Bundesstaaten die Phrygische Mütze im Siegel führen, sondern auch für eine Reihe von lateinamerikanischen Staaten (Argentinien, Bolivien, Kolumbien, Paraguay, Nicaragua, El Salvador, Kuba und Haiti), die mit der Unabhängigkeit die Phrygische Mütze in ihre Staatswappen aufgenommen haben.

Hinweis der Redaktion: Mit dieser Folge endet die seit Juli 2006 in der JUNGEN FREIHEIT laufende Serie „Politische Zeichenlehre“ des Historikers Karlheinz Weißmann. In zwei Wochen startet mit der JF-Ausgabe 40/10 an dieser Stelle eine neue Kolumne des rechts-intellektuellen Publizisten.

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