© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  38/10 17. September 2010

LOCKERUNGSÜBUNGEN
Arbeitskräfte
Karl Heinzen

Der taiwanesische Elektronik-konzern Foxconn plant, in den USA Fabriken zu errichten, in denen Bauteile und komplette Geräte vollautomatisch hergestellt werden könnten. Der Verzicht auf eine Belegschaft würde es nicht nur erlauben, hinsichtlich der Lohnkosten mit ostasiatischen Standorten wettbewerbsfähig zu bleiben. Auch die hohe Selbstmordrate unter den Beschäftigten, unter der Foxconn zu leiden hat, ließe sich auf diese Weise deutlich reduzieren.

Die Hoffnung, durch betriebswirtschaftliche Lösungen nach diesem Vorbild wäre dem sich in Deutschland abzeichnenden Mangel an gut qualifizierten Fachkräften gegenzusteuern, ist jedoch trügerisch. Im industriellen Sektor mögen hier und da zwar noch Rationalisierungspotentiale zu erschließen sein, doch dessen Bedeutung sinkt mehr und mehr, und in den Dienstleistungsgewerben läßt sich ein Rückgang der Beschäftigtenzahl letztendlich nur dadurch auffangen, daß diejenigen, die auf der Gehaltsliste stehen, mehr und länger arbeiten. Ein Großteil der Arbeitnehmer sieht sich hier allerdings bereits heute an die Grenzen der Belastbarkeit geführt.

Da die deutsche Wohnbevölkerung im arbeitsfähigen Alter schrumpft und selbst Migranten schon bald nach ihrer Einwanderung dazu übergehen, das generative Verhalten der Autochthonen nachzuahmen, kann unser Wohlstand daher nur aufrechterhalten werden, wenn permanent ein Zustrom potentieller Beschäftigter erfolgt. Den Bedarf beziffert Klaus Zimmermann, Leiter des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, auf netto mindestens 500.000 Zuwanderer pro Jahr. Anders als in der Vergangenheit müsse die Lenkung der Migration jedoch über den Arbeitsmarkt erfolgen, nur so ließe sich sicherstellen, daß tatsächlich diejenigen Menschen kämen, deren Qualifikation man benötigt.

So kühn Zimmermanns Vorschlag klingt, so sehr scheut er sich doch, ihn zu Ende zu denken. Es stellt sich nämlich die Frage, wieso sich unser Land überhaupt noch den Luxus unproduktiver Kinder leisten sollte, wenn der internationale Arbeitsmarkt zur Rekrutierung von Beschäftigten uneingeschränkt zur Verfügung stünde. Der Staat könnte bei einer Senkung der Geburtenrate auf Null auf Bildungsinvestitionen verzichten sowie Kinder- und Elterngeld komplett einsparen und die steuerliche Belastung entsprechend zurückfahren.

Die Bürger dürften für diesen neuen Kurs der Bevölkerungspolitik unschwer zu begeistern sein. Sie müßten lediglich die Lebenseinstellungen, die in den letzten Jahrzehnten dominant geworden sind, noch etwas konsequenter beherzigen.

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