© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  38/10 17. September 2010

Fünfteilige Dokumentation auf 3sat: „Ab auf die Alp! – Wie Städter zu Sennen werden“
Auf der Suche nach dem einfachen Leben
Baal Müller

Die Sehnsucht nach Natur und Landleben ist so alt wie das Leben in der Großstadt, und es waren Stadtmenschen, die zu Beginn der Neuzeit die Schönheit der Landschaft entdeckten, etwa die erhabene Bergwelt der Alpen. Galten Berge dem mittelalterlichen Menschen als nutzlos und gefährlich, so mißt ihnen der moderne Betrachter einen ästhetischen Eigenwert zu. Und hatte Augustinus einst in seinen Confessiones beklagt, daß die Menschen beim Bestaunen der Bergeshöhen und Meeresfluten sich selbst vergäßen, so sucht der moderne Mensch, wie es Petrarca bei seiner Besteigung des Mont Ventoux zum Ausdruck brachte, gerade sich selbst oder sein als verloren empfundenes, ursprüngliches Ich in der Natur.

Bloß zum Betrachten und Staunen kommen die jährlich rund 100 meist jungen Männer und Frauen – unter ihnen viele Deutsche – nicht ins Berner Oberland, die dort einen Sommer lang als Sennen arbeiten; es muß schon kräftig angepackt werden: In aller Frühe geht es auf die Alp, und dann wird das Vieh gehütet, der Zaun repariert oder Käse hergestellt, was sich bei den Frauen, die zuvor am „Inforama“ in Hondrich einen „Alpkäserkurs“ besucht haben, großer Beliebtheit erfreut. Schon die Selbstbezeichnung dieses „Kompetenzzentrums für Berglandwirtschaft“ verrät, daß modernste Technik auch hier längst Einzug gehalten hat, und entsprechend leiten die Alpbauern in ihren malerischen Sennhütten kleine Agrarunternehmen. Dennoch ist es wohl die Suche nach einem einfachen, ursprünglichen Leben, die unter anderem die deutschen Studenten, Selina, Miriam (Foto, v.l.), Jakob und Robert, vom Schweizer Fernsehen in einer fünfteiligen Reihe begleitet, auf die Alp zieht. „Ich freu mich auf den Feierabend auf der Bank vor dem Haus und den Tag loben, oder auch nicht“, erklärt Selina und macht sich über ihre Bekannten lustig: „Alle wollen hören, daß man Angst davor hat, Angst davor zu versagen.“

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