© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  39/10 24. September 2010

Die Union kommt nicht zur Ruhe
Richtungsstreit: Während sich Brandenburgs CDU-Chefi n Saskias Ludwig um das konservative Profi l sorgt, will Merkel eine neue rechte Partei verhindern
Felix Krautkrämer / Peter Möller

Die brandenburgische CDU-Landesvorsitzende Saskia Ludwig hat ihre Partei vor einem weiteren Profilverlust gewarnt. Das Beben, das Erika Steinbachs Rückzug aus dem
Parteivorstand ausgelöst habe, zeige wie dünn die Personaldecke des konservativen Flügels der Union sei, sagte Ludwig in der vergangenen Woche der jungen freiheit.

„Eine Partei kann nicht behaupten, daß eine ihrer drei Grundsäulen das Konservative ist, wenn sie sich nicht um diejenigen bemüht, die genau diese Werte vertreten“, kritisierte die Fraktionschefin der CDU im Potsdamer Landtag. Als unglücklich bezeichnete Ludwig auch das Verhalten ihrer Partei im Fall Thilo Sarrazins. Die Kritik an dessen vorveröffentlichten Textpassagen sei reflexhaft gewesen, bemängelte Ludwig. Sarrazin habe in der Bevölkerung einen Nerv getroffen, und die CDU sei gut beraten, auch in Zukunft die Stimmung aus dem Volk aufzunehmen. „Es spricht beispielsweise nichts dagegen, sich anzuschauen, welche Zuwanderer unser Land bereichern und welche uns eher ausnutzen“, sagte die Landesvorsitzende.

Ludwig hatte Anfang des Jahres gemeinsam mit anderen CDU-Politikern den politischen Kurs der Partei in einem Zeitungsartikel kritisiert. Zu den Mitverfassern des Artikels gehörten unter anderem der thüringische Fraktionsvorsitzende Mike Mohring sowie der Fraktionschef im sächsischen Landtag.

Am Wochenende schaltete sich CDU-Chefin Angela Merkel mit einem Interview in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung in die anhaltende Debatte über das konservative Profil ihrer Partei ein. „Konservativ heißt, zu bewahren, was uns stark gemacht hat, und zu verändern, was sich heute nicht mehr bewährt“, sagte die Bundeskanzlerin. Konservativ heiße also nicht, daß alles so bleibe wie es ist, sondern daß man mit Bedacht verändere.

Auf die Frage, wer den Konservativen künftig das Gefühl vermitteln solle, die CDU sei noch ihre politische Heimat, sagte Merkel: „Vorneweg ich als Parteivorsitzende.“ Als weitere Namen nannte sie Unions-Fraktionschef Volker Kauder, Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier und den Bundestagsabgeordneten Wolfgang Bosbach. In der Diskussion um eine mögliche Parteigründung rechts von der CDU sagte Merkel, es liege „an den demokratischen Parteien, Neugründungen am rechten wie linken Rand zu verhindern.

„Ich spiele nicht den Lafontaine“

„In Baden-Württemberg zum Beispiel wurden vor Jahren die Republikaner kurzzeitig stark, weil die CDU damals ihre Idee der Verschärfung des Asylrechts zwar laut verkündete, aber nicht in die Taten umsetzte“, erinnerte sie.

Der von Merkel 2002 aus dem Amt als Fraktionsvorsitzender verdrängte Friedrich Merz erteilte unterdessen Spekulationen eine Absage, er könne sich an der Gründung einer neuen konsevativen Partei beteiligen. „Ich spiele nicht den Lafontaine auf der anderen Straßenseite“, sagte der ehemalige Bundestagsabgeordnete der Zeit. Mit dem derzeitigen Zustand der CDU ging Merz hart ins Gericht. „Die CDU war noch nie so beliebig und orientierungslos wie heute.“ Er sei nach wie vor davon überzeugt, daß Volksparteien den Sinn haben, parteipolitische Radikalisierung zu verhindern. „Sie binden und integrieren zur Mitte“, sagte er. Jede bürgerliche Protestpartei würde automatisch solche Radikale anziehen. Bei der Sehnsucht nach dem Konservativen handele es sich um die Sehnsucht nach einem „Stück Haltung und Gestus“.

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