© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  39/10 24. September 2010

Denkmalspläne reißen alte Wunden auf
Geschichtspolitik: Der Plan für ein Ehrenmal für die an der Zerstörung Dresdens beteiligten britischen Flugzeugbesatzungen sorgt an der Elbe für Aufregung
Paul Leonhard

Das britische Bomber Command soll ein Denkmal erhalten. Es soll jene Piloten ehren, die deutsche Städte in Schutt und Asche gelegt hatten. Gegen das Vorhaben regt sich in den vom Bombenhagel zwischen 1943 und 1945 betroffenen Städten Widerstand. Insbesondere in Dresden, dessen Zerstörung weltweit als Synonym für die verbrecherischen Bombenangriffe der Alliierten kurz vor Kriegsende gilt. Erstaunlich deutlich äußerte sich die Dresdner Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) bei einem Besuch in London. Das Vorhaben sei „befremdlich“ und „rückwärtsgewandt“. Vor allem ältere Dresdner, die die Angriffe auf die Elbestadt selbst erlebt haben, seien entsetzt und fühlten sich brüskiert. Ein solches Denkmal sei „entgegen unserer Kultur der Erinnerung“, sagte Orosz.

Erinnerungskultur ist allerdings ein Wort, mit dem die CDU-Politikerin vorsichtig sein sollte. In Dresden schwelt noch immer der Konflikt um die von einer Historikerkommission auf zwischen 18.000 und 25.000 heruntergerechneten Zahl der Bombenopfer (JF 18/10) – die selbst die Bild-Zeitung als zu niedrig anzweifelte – und die angeblich nicht stattgefundenen Tieffliegerangriffe. Überdies haben es weder Landesregierung noch Rathausführung geschafft, das jährliche Gedenken an die Zerstörung aus dem politischen Fahrwasser zu bringen oder die Verunglimpfung der Opfer durch die Antifa gerichtlich zu verfolgen. Auch gegen eine Veröffentlichung der Namen der Toten sperrt sich das Rathaus – aus Datenschutzgründen.

Die Erlebnisgeneration verfolgt das britische Vorhaben mit Interesse. „Warum sollen die Briten nicht ihrer gefallenen Piloten gedenken, solange sie das nicht bei uns tun“, sagt die 88 Jahre alte Gertraude Neumann, die in der Dresdner Friedrichstadt den Feuersturm erlebte. „Wir haben den Krieg verloren, sonst hätten wir auch ein Denkmal für die bei der Verteidigung der Heimat gefallenen Nachtjägerpiloten.“ Eine Dresdner Boulevard-Zeitung zitiert die 80jährige Ursula Elsner, die den Angriff am Neumarkt überlebte: „Ich finde die Pläne traurig und makaber. So ein Denkmal verherrlicht noch die Bombenangriffe.“

Die Vernichtung der Kunststadt Dresden zwischen dem 13. und 15. Februar 1945 war in Großbritannien der Grund, der bisher verhindert hatte, daß die bei ihren Einsätzen gefallenen Bomberflieger ein Ehrenmal erhielten. Nach dem Krieg „hielt man es nicht für ratsam, die Erinnerung an die Bombardierung deutscher Städte durch offizielle Ehrungen des Bomberkommandos zu beschwören“, notierte der Spiegel 1958. Damals monierte der ehemalige Vize-Luftmarschall Donald Bennett in seinen Memoiren „Pathfinder“, daß dem Bombenkommando als „stärkste Streitkraft in der gesamten englischen Geschichte“ bisher kein Denkmal gesetzt wurde. Viele Briten – und auch einige alliierte Bomberpiloten – hatten bereits während des Krieges bezweifelt, daß die Flächenangriffe auf deutsche Städte durch das Kriegsrecht gedeckt sind und die Erfolge dieser Kriegstaktik die Opfer rechtfertigt.

Damit waren nicht nur die zivilen gemeint, auch das Bomberkommando zahlte einen hohen Preis: 55.000 Tote beim fliegenden Personal. Jeder zweite kehrte vom Einsatz nicht zurück.
Prozentual höhere Verluste hatten nur die deutschen U-Boot-Fahrer. Arthur Travers Harris, der Oberbefehlshaber des Bomber-Kommandos der Royal Air Force (RAF) erhielt von seinen Leuten den Beinahmen „Butcher“ (Schlächter). Das Kommando galt als „verschwenderisch mit seinen Mannschaften und allzu zerstörerisch in seinen Wirkungen“.

Noch stärker hat sich im Bewußtsein der Briten aber die von Premier Winston Churchill befohlene Zerstörung Dresdens eingebrannt. Ihre Folgen verhinderten, daß Bomberflieger die für die übrige RAF geprägte Erinnerungsmedaille erhielten. Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre galten die Bomberpiloten auch in den Augen der britischen Friedensbewegung als Kriegsverbrecher. Den Veteranen blieb eine Pfarrkirche nahe des Trafalgar Square für ihre Erinnerungen. Hier sind unter Glas die Namen aller seit 1912 gefallenen Flieger der RAF bewahrt. Als sie 1992 durchsetzen konnten, daß Luftmarschall Harris neben der Kirche ein Denkmal erhielt, blieb dieses umstritten und wurde mehrfach beschädigt. In Dresden löste seine Einweihung durch die Königinmutter Elizabeth starke Proteste aus.

Das jetzt geplante Denkmal für die gefallenen Bomberflieger reißt alte Wunden wieder auf. „Und warum haben wir kein eigenes Mahnmal?“ fragt die Bild und trifft damit die Befindlichkeiten der Dresdner. Die wünschen sich, daß nach dem Vorbild des Vietnam-Memorials in Washington die Namen aller durch die Angriffe Getöteten auf großen Tafeln in der Altstadt verewigt werden. Eine Idee, die FDP-Landeschef Holger Zastrow bereits aufgegriffen hat: „Wir brauchen einen würdigen Gedenkort für die Bombenopfer im Zentrum.“

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