© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  39/10 24. September 2010

Kampf für die grünen Adern
Brandenburger Alleenlandschaft: Volksinitiative macht mobil gegen Kahlschlag
Volker König

Alleen gehören zu den schönsten Natur- und Kulturdenkmalen Deutschlands. Wie grüne Adern ziehen sie sich oft in geschlungenem Lauf durch die Landschaft und verleihen ihr ein unverwechselbares Bild. In seinen „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ beschrieb Theodor Fontane immer wieder die Wohltat, durch schattige Alleen zu wandern, unter „prächtigen alten Linden“ oder auf einer Straße, „deren junge Ebereschen in roter Pracht stehen“.

Die meisten Alleen entstanden im 19. Jahrhundert, im Zeitalter des Chausseebaues, aber auch der Romantik. Die Schattenspender für Pferdefuhrwerke sehen nicht nur schön aus, sie haben überdies eine wichtige ökologische Funktion als Lebensraum für zahlreiche Insekten- und Vogelarten. Zudem vernetzen sie Biotope, was insbesondere für wandernde Tierarten wichtig ist.

Rund 23.000 Straßenkilometer in Deutschland sind mit Alleen bestanden – nur noch. Denn in den 60er und 70er Jahren setzte in der Bundesrepublik ein regelrechtes Baummassaker ein. Unter dem Vorwand, die Verkehrssicherheit zu erhöhen und die Straßen dem wachsenden Verkehr anzupassen, wurden in den alten Bundesländern rund 50.000 Kilometer Alleen beseitigt. Bodenversiegelung, Wurzelbeschädigungen und Streusalz taten ein übriges, die Gesundheit der bestehenden Alleebäume zu schädigen.

In der ehemaligen DDR hingegen überdauerten viele Alleen, vor allem in Brandenburg, wo es mit 12.000 Kilometern den größten Bestand in Deutschland gibt. Doch Brandenburgs Alleen sind in akuter Gefahr. In den nächsten Jahren sollen Tausende Bäume jährlich gefällt werden, da viele der im 19. Jahrhundert gepflanzten Bäume ihre natürliche Altersgrenze erreicht haben.

Die brandenburgische Landesregierung hat eine „Alleenkonzeption“ beschlossen, durch welche die Nachpflanzung von neuen Alleenbäumen so stark eingeschränkt wird, daß in den nächsten 20 Jahren 100.000 Alleebäume – das ist etwa ein Drittel des Gesamtbestandes – an Bundes- und Landesstraßen ohne Ersatz verschwinden werden.

Nachdem alle Bemühungen ergebnislos verliefen, bei den Behördenvertretern und Politikern eine Änderung der Alleenpolitik zu erreichen, hatten zahlreiche brandenburgische Umweltverbände wie NABU, BUND, Grüne Liga und Schutzgemeinschaft Deutscher Wald seit dem 17. August 2009 zu einer Volksinitiative aufgerufen. Binnen eines Jahres muß solch eine Volksinitiative mindestens 20.000 Unterschriften sammeln, damit sie vor dem Landtag eingebracht werden kann.

Im Endspurt legte die Volksinitiative „Rettet Brandenburgs Alleen“ im Sommer noch einmal mächtig zu. Die für eine Behandlung im Landtag nötige Marke von 20.000 Unterschriften Brandenburger Bürger wurde schließlich klar überschritten. Rund 25.700 Unterschriften konnten kürzlich an Landtagsvizepräsidentin Gerrit Große in Potsdam übergeben werden.

Während die Landesregierung jedes Jahr nur die feste Zahl von 5.000 Bäumen nachpflanzen will – egal, wie viele Bäume gerodet werden –, verlangt die Volksinitiative „Rettet Brandenburgs Alleen“, daß Bäume, die jetzt gefällt werden, auch jetzt nachgepflanzt werden müssen, damit ein gleichbleibender, konstanter Alleenbestand erhalten bleibt. Auch solle die Umsetzung der Regelung für die Öffentlichkeit nachvollziehbar sein, indem jährlich die Zahl der gefällten Bäume, die Soll-Zahl für Nachpflanzungen und die tatsächlichen Pflanzungen veröffentlicht werden.

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